Gleitende Arbeitszeit ist ein beliebtes Arbeitszeitmodell. Für das Unternehmen ist sichergestellt, dass die Belegschaft während den Kernzeiten anwesend ist. Gleichzeitig können die Arbeitnehmer ihre tägliche Arbeitszeit bis zu einem gewissen Mass individuell gestalten, was dem Bedürfnis nach Flexibilität entgegenkommt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht müssen Unternehmen und Arbeitnehmer bei Gleitzeit in der Schweiz jedoch einiges beachten.
Gleitende Arbeitszeit als flexibles Arbeitszeitmodell
In der Praxis kommen verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle vor, wie z.B. Teilzeitarbeit, Jobsharing, Arbeit auf Abruf oder gleitende Arbeitszeit. Von einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten erhoffen sich die einerseits Arbeitnehmer insbesondere, dass sie ihre familiären Bedürfnisse einfacher mit den beruflichen Anforderungen vereinbaren können. Die Arbeitgeber andererseits begrüssen flexibilisierte Arbeitszeitmodelle, damit sie ihre Mitarbeiter effizient einsetzen können. Die Arbeitskraft soll immer dann verfügbar gemacht werden, wenn tatsächlich Arbeit anfällt.
Die flexiblen Arbeitszeitmodelle beruhen auf einer vertraglichen Grundlage. Das Arbeitsgesetz schreibt Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten vor (Art. 9 ff. ArG). Normal-oder Gesamtarbeitsverträge können ebenfalls Vorschriften über Arbeitszeiten enthalten, die von den Vertragsparteien beachten werden müssen. Innerhalb der geltenden Schranken sind die Parteien eines Arbeitsvertrages aber frei, ein bestimmtes Arbeitszeitmodell zu wählen und die Arbeitszeiten vertraglich festzulegen. Besteht keine ausdrückliche Vertragsregelung, kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit aufgrund seines Weisungsrechts einseitig festlegen. Die konkrete Ausgestaltung der Reglemente und der Einzelarbeitsverträge ist entsprechend vielfältig.
Arbeitsrechtliche Merkmale eines Gleitzeitsystems
Bei einem Gleitzeitmodell und Gleitzeit in der Schweiz ist typisch, dass die tägliche Arbeitszeit über mehrere Tage oder Monate verteilt geleistet werden darf. Besteht gleitende Arbeitszeit, ist der Arbeitnehmer nur verpflichtet, während bestimmten Stunden am Tag zwingend zu arbeiten (Blockzeit). Gleitzeitsysteme schreiben oft eine Blockzeit von morgens 9:00 Uhr bis 11:00 Uhr und nachmittags von 14:00 Uhr bis 16:00 Uhr vor. Die restliche Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer frei einteilen (Gleit- oder Rahmenzeit). Im Unterschied zu regulären Arbeitsverhältnissen erstreckt sich die Blockzeit somit nicht auf den gesamten Arbeitstag.
Ausserhalb der Blockzeiten verfügt der Arbeitnehmer über Zeitsouveränität. Der Arbeitnehmer ist vertraglich berechtigt, Arbeitszeit innerhalb der Gleitzeit bzw. Rahmenzeit bei Minusstunden oder Plusstunden vor- oder nachzuholen. Mit anderen Worten kann der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit, der Pausen und den Arbeitsschluss sowie die Arbeitsdauer über eine längere Zeitspanne gemäss seinen Bedürfnissen frei ansetzen. Die tägliche Arbeitszeit kann dabei „gleitend“ über mehrere Tage oder Monate hinweg geleistet werden.
Grundsätzlich keine Überstunden bei Gleitzeitarbeit
Entsteht ein Gleitzeitüberhang, liegen grundsätzlich keine Überstunden im Sinne von Art. 321c OR vor. Bei Gleitzeitarbeit ist der Arbeitnehmer vertraglich verpflichtet, auf das Ende eines vorbestimmten Zeitabschnitts die Sollarbeitszeit zu erfüllen. Die festgelegte Arbeitszeit darf zum Beispiel auf das Ende jedes Monats oder auf das Jahresende hin nicht über ein bestimmtes Mass hinaus über- oder unterschritten werden. Leistet ein Arbeitnehmer an einem Arbeitstag lediglich die Blockzeit, arbeitet er dafür am nächsten Tag entsprechend länger, wurden keine Überstunden geleistet. Die Mehrarbeit an einem Arbeitstag in Form von Gleitzeitarbeit erfolgt insofern freiwillig, als sie Ausdruck der Zeitsouveränität des Arbeitnehmers ist.
Der Arbeitnehmer hat Mehrstunden innerhalb der Gleitzeitspanne durch eine entsprechende Anzahl Minusstunden in der Gleizeit auszugleichen. Die vertragliche Sollarbeitszeit wird somit innerhalb der vorbestimmten Gleitzeitspanne weder über- noch unterschritten, weshalb in Bezug auf die geleistete tägliche Mehrarbeit nicht von Überstunden im gesetzlichen Sinn gesprochen werden kann. Die vertraglich festgelegte Arbeitszeit wird in solchen Fällen gar nicht überschritten.
Pflicht des Arbeitnehmers, die Arbeitszeit auszugleichen
Aus der vertraglichen Pflicht, die Gleitzeit auf das Ende einer bestimmten Zeitspanne ausgeglichen zu halten, ergeben sich verschiedene rechtliche Konsequenzen. Diese können sich auch zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken.
a) Besorgung persönlicher Angelegenheiten ausserhalb der Blockzeit
Die Erledigung privater Angelegenheiten, wie das Aufsuchen eines Arztes, Zahnarztes oder Rechtsanwalts, dürfen in der Regel nicht mit der Blockzeit kollidieren. Im Unterschied zu Arbeitsverhältnissen, bei denen ein volles Pensum mit fester Arbeitszeit vereinbart wurde, kann deshalb bei Gleitzeitsystemen nur selten Freizeit für unaufschiebbare, persönliche Angelegenheiten beansprucht werden. Die gewährte Flexibilität innerhalb der Rahmenzeit hat der Arbeitnehmer im Interesse seines Arbeitgebers zu nutzen, indem er Arzttermine, Behördengänge und dergleichen auf Randzeiten ausserhalb der Blockzeit legt. Die daraus entstehenden Minusstunden muss der Arbeitnehmer durch Mehrarbeit innerhalb der Gleitzeitspanne an einem anderen Tag ausgleichen.
b) Verpflichtung zur Vermeidung übermässiger Gleitzeitüberhänge
Arbeitsverhältnisse können unter Einhaltung der Kündigungsfrist grundsätzlich jederzeit ordentlich aufgelöst werden. Bei gleitender Arbeitszeit hat daher der Arbeitnehmer darauf zu achten, dass der Gleitzeitsaldo innerhalb der Kündigungsfrist abgebaut werden kann. Befindet sich der Arbeitnehmer noch in der Probezeit, hat er die verkürzte Kündigungsfrist zu beachten. Häuft der Arbeitnehmer zu viele Stunden an und kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, verfällt das Gleitzeitsaldo grundsätzlich entschädigungslos mit Ablauf der Kündigungsfrist.
Der Arbeitnehmer ist mit anderen Worten verpflichtet, übermässige Gleitzeitüberhänge zu vermeiden. Bestimmungen in einem Gleitzeitreglement, wonach am Ende einer Abrechnungsperiode übermässige Gleitzeitguthaben bis zu einem gewissen Ausmass entschädigungslos verfallen und nicht auf die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden, sind daher zulässig.
Eine Entschädigung für geleistete Mehrarbeit kann der Arbeitnehmer in einem Gleitzeitsystemen nur verlangen, wenn die während der Rahmenzeiten zur Verfügung stehende Gleitzeit aufgrund betrieblicher Bedürfnisse oder wegen Weisungen des Arbeitgebers gar nicht genutzt werden konnte, um die Mehrstunden unter Einhaltung der Blockzeiten durch eine entsprechende Anzahl von Minusstunden auszugleichen. In solchen Fällen wandelt sich der positive Gleitzeitsaldo in Überstunden um, die nach den gesetzlichen bzw. vertraglichen Vorgaben vom Arbeitgeber zu entschädigen sind.
c) Minusstunden am Ende der Gleitzeitperiode
Bestehen am Ende der Gleitzeitspanne Fehlstunden, kann der Arbeitgeber grundsätzlich einen Lohnabzug vornehmen. Es gilt der Grundsatz ohne Arbeit kein Lohn. Einige Gerichte unterstellen jedoch allzu rasch, der Arbeitgeber habe seinen Anspruch zur Lohnkürzung verwirkt, wenn er den vollen Lohn vorbehaltslos auszahlt, obwohl die Sollarbeitszeit am Ende der Gleitzeitspanne erheblich unterschritten wurde. Der Arbeitgeber sollte daher jeweils die Arbeitszeiterfassung kontrollieren und entweder sofort einen Lohnrückbehalt vornehmen oder zumindest einen Vorbehalt auf der Lohnabrechnung anbringen, eine Rückforderung werde aufgrund der aktuellen Minusstunden für die nächste Lohnrunde vorbehalten. Der Arbeitnehmer ist dann gehalten, die Minusstunden durch Mehrarbeit in der laufenden Abrechnungsperiode auszugleichen.
Unverschuldet fehlende Arbeitszeit muss nicht ausgeglichen werden. Bei unverschuldeten Minusstunden ist der Arbeitgeber regelmässig nach Art. 324a OR zur Lohnfortzahlung trotz fehlender Arbeitsleistung verpflichtet. Unverschuldet ausfallende Arbeitszeit ist deshalb auch bei Gleitzeitsystem gutzuschreiben. Keine Rolle spielt in solchen Fällen, ob die Absenz in die Blockzeit oder in die normale Tagesarbeitszeit bzw. Rahmenzeit fällt. Für die Berechnung der Zeitgutschrift ist bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung jeweils auf die vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit abzustellen.