Rechtliche Knackpunkte beim Verfassen von Arbeitszeugnissen

Arbeitszeugnisse sind in der Schweiz ein wichtiges Instrument bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden. Wer ein schlechtes Arbeitszeugnis in der Bewerbungsmappe vorweist, wird oft gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch vorgeladen. Kein Wunder also, nehmen Arbeitnehmer die Zeugnisse ihrer Arbeitgeber genau unter die Lupe. Der folgende Text beleuchtet ausgewählte Aspekte, die es beim Verfassen eines Arbeitszeugnisses zu beachten gilt. Was muss die Personalabteilung beachten, damit ein korrektes und vollständiges Arbeitszeugnis ausgehändigt wird? Welches sind die arbeitsrechtlichen Anforderungen, die an ein Zeugnis in der Schweiz gestellt werden? Diese und andere Fragen werden kurz erläutert.

1. Zwischenzeugnis oder Schlusszeugnis

Verlangt der Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis, ist ihm ein Zwischenzeugnis auszustellen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird ein Schlusszeugnis ausgestellt. Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Zeugnisarten vor allem in der gewählten Zeitform. Es spielt also eine rolle, in welcher Zeitform das Arbeitszeugnis verfasst wird.

Für das Zwischenzeugnis wird die Gegenwartsform gewählt, das Schlusszeugnis wird in der Vergangenheitsform verfasst. Bezüglich der Dauer des Arbeitsverhältnisses fehlt im Zwischenzeugnis selbstredend der Endtermin. In der Praxis wird dafür oft angegeben, aus welchem Grund ein Zwischenzeugnis ausgestellt wird. Zum Beispiel wird darauf hingewiesen, der Arbeitnehmer habe das Zwischenzeugnis selbst verlangt oder das Zeugnis sei nach einem Wechsel des Vorgesetzten oder aufgrund einer Reorganisation ausgestellt worden.

2. Arbeitszeugnisse können jederzeit verlangt werden

Der Arbeitnehmer kann jederzeit ein Arbeitszeugnis verlangen und der Arbeitgeber muss diesem Wunsch nachkommen. Nicht statthaft wäre aber, wenn der Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses jeden Monat ein neues Zeugnis verlangen würde. Dafür besteht schlicht keine Notwendigkeit. Das ständige Insistieren wäre rechtsmissbräuchlich. Als unverbindliche Faustregel darf angenommen werden, dass der Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis pro Jahr verlangen kann. Besondere Umstände, wie der Wunsch auf Stellensuche zu gehen oder ein Wechsel des Vorgesetzten, können jedoch im Einzelfall kürzere Zeitabstände rechtfertigen.
Der Arbeitnehmer kann grundsätzlich selbst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Arbeitszeugnis verlangen. Die meisten Juristen sind sich heute darin einig, dass ein Arbeitszeugnis bis zehn Jahre nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangt werden kann. Der Arbeitgeber ist also grundsätzlich während zehn Jahren verpflichtet, sämtliche Daten aufzubewahren, die er zur Ausstellung eines Arbeitszeugnisses benötigt.
Wünscht der Arbeitnehmer, sein Personaldossier sei nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Datenschutzgründen zu vernichten, verwirkt er sein Recht auf ein Zeugnis. Nicht relevant ist in solchen Fällen, ob der Arbeitnehmer schon ein Schlusszeugnis erhalten hat. Indem der Arbeitnehmer die Vernichtung seines Personaldossiers verlangt, gibt er dem Arbeitgeber gleichzeitig zu verstehen, dass er kein Arbeitszeugnis möchte. Der Arbeitnehmer hat deshalb selbst dann keinen Anspruch mehr auf ein Zeugnis, wenn er noch gar kein Schlusszeugnis erhalten hat.

Checkliste für neue Mitarbeitende
Checkliste für neue Mitarbeitende

Wir haben in einer übersichtlichen Checkliste alles aufgelistet, was Sie bei der Einstellung neuer Mitarbeitender und in deren ersten Arbeitswochen vorbereiten sollten – von der Jobzusage bis zum Ende der Probezeit.

Jetzt downloaden

3. Zeugnisrelevante Unterlagen

Für das Arbeitszeugnis relevante Informationen und Daten finden sich in ganz unterschiedlichen Dokumenten. Als zeugnisrelevante Unterlagen in Frage kommen insbesondere die Bewerbungsunterlagen des Arbeitnehmers, vorhandene Arbeitsverträge und Stellenbeschreibungen sowie Protokolle über Mitarbeitergespräche, Mitarbeiterbeurteilungen, Zielvereinbarungen im Hinblick auf variable Vergütungen, Aktennotizen, Verweise und Verwarnungen, Rückmeldungen von Kunden, bereits erstellte Zwischenzeugnisse, das Freistellungs- und Kündigungsschreiben sowie allfällige weitere Unterlagen wie Gerichtsentscheide, Arztzeugnisse und dergleichen.

4. Datenschutzrechtliche Aspekte und Persönlichkeitsschutz

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen (Art. 328 OR). Aus dieser Fürsorgepflicht fliesst auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Zeugnis. Das Arbeitszeugnis soll dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Fortkommen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erleichtern. Damit dieser Zweck erreicht werden kann, sind persönlichkeits- und datenschutzrechtliche Aspekte zu beachten. Das Arbeitszeugnis muss wohlwollende, wahre und vollständige Angaben enthalten.

a) Wohlwollende und wahre Angaben

Das Arbeitszeugnis bezieht sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis. Massgebend ist der Gesamteindruck des Arbeitnehmers während der Beschäftigungsdauer. Um das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht übermässig zu erschweren und seine Persönlichkeit zu schützen, hat der Arbeitgeber eine wohlwollende Formulierung zu wählen. Singuläre Vorfälle, die für das Gesamtbild des Arbeitnehmers nicht charakteristisch sind, müssen daher weggelassen werden. Das Zeugnis darf keine verdeckten und verletzenden Andeutungen enthalten. Eine codierte Zeugnissprache, die Eingeweihten ein wesentlich anderes Bild vermittelt als dem unbefangenen Leser, ist unzulässig.
Wer Personendaten bearbeitet, hat sich über deren Richtigkeit zu vergewissern (Art. 5 DSG). Die Angaben im Arbeitszeugnis müssen deshalb wahr, d.h. objektiv zutreffend sein. Der Arbeitnehmer kann deshalb nicht verlangen, dass im Zeugnis Arbeitsaufgaben aufgeführt werden, die er während des Arbeitsverhältnisses gar nie ausgeführt hat. Massgebend ist stets die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, nicht der formale Stellenbeschrieb.
In der Praxis bestehen oft Zweifel darüber, wie vorzugehen ist, wenn eine wohlwollende Formulierung zu einem missverständlichen oder gar falschen Gesamteindruck führt. Hier gilt als Grundsatz, dass die Wahrheitspflicht vorgeht. Die Pflicht zur Wahl einer wohlwollenden Formulierung findet ihre Grenzen an der objektiven Wahrheit. Der Arbeitgeber muss sich keine Unwahrheiten im Zeugnis aufdrängen lassen. Künftige Arbeitgeber müssen darauf vertrauen können, dass die Angaben im Zeugnis ein zutreffendes und vollständiges Bild des Arbeitnehmers zeichnen.

b) Vollständigkeit im Arbeitszeugnis

Das Arbeitszeugnis muss vollständig sein. Der Arbeitnehmer kann wählen, ob er eine blosse Arbeitsbestätigung (einfaches Zeugnis) oder ein Vollzeugnis (qualifiziertes Arbeitszeugnis) will.

(1) Arbeitsbestätigung

Die Arbeitsbestätigung enthält nur Angaben zur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses (Art. 330a Abs. 2 OR). Massgebend ist dabei die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses, nicht die tatsächliche Beschäftigungsdauer bis zur Freistellung.
Die Beurteilung der Arbeitsleistungen und des Verhaltens im Betrieb fehlen in einer Arbeitsbestätigung. Die Arbeitsbestätigung wirft deshalb im Rekrutierungsverfahren regelmässig Fragen auf. Sie kann aber für den Arbeitnehmer vorteilhaft sein, wenn im Vollzeugnis eine Straftat oder ein anderes, gravierendes Fehlverhalten erwähnt werden müsste.

(2) Vollzeugnis

Wünscht der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich eine Arbeitsbestätigung, ist ein Vollzeugnis auszustellen (Art. 330a Abs. 1 OR). Das qualifizierte Zeugnis hat alle Angaben zu enthalten, welche für die Gesamtbeurteilung von wesentlicher Bedeutung sind, muss sich jedoch auf die Eignung des Arbeitnehmers für die konkrete Stelle beschränken (Art. 328b OR; Art. 4 DSG).
Das Vollzeugnis enthält Angaben zur Art und Dauer der Beschäftigung, Angaben über das Fachwissen, Sprachkenntnisse und relevante Weiterbildungen sowie eine Beurteilung der Arbeitsleistungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Es hat sich auch über das Verhalten des Arbeitsnehmers gegenüber Kunden, Vorgesetzten und Mitarbeitern auszusprechen.
Negative Tatsachen müssen erwähnt werden, sofern sie für die Gesamtbeurteilung wesentlich sind und keine andere, wohlwollende Formulierung gefunden werden kann, die gleichzeitig der Wahrheit entspricht. Negative Leistungsbeurteilungen und Kritik am Verhalten des Arbeitnehmers dürfen aber nur dann ins Arbeitszeugnis aufgenommen werden, sofern sie belegt werden können.
Ähnliche Überlegungen gelten bezüglich Krankheiten. Hatte die Krankheit einen erheblichen Einfluss auf die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz, muss sie – auch gegen den Willen des Arbeitnehmers – genannt werden. Bildete die Krankheit einen sachlichen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses, da sie die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Arbeitsaufgaben in Frage stellte, ist die Krankheit bei den Austrittsgründen zu nennen.
Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf bestimmte Formulierungen oder Bewertungen. Dankesworte und Zukunftswünsche kann er nicht einfordern, da diese streng genommen nicht zu den notwendigen Angaben eines Vollzeugnisses zählen. Dank und Glückwünsche für Zukunft sind in der Praxis aber weit verbreitet und werden regelmässig erwartet.
Um ein aussagekräftiges Zeugnis zu erhalten, muss klar sein, auf welchen Zeitraum es sich bezieht. Die Bewertung von Arbeitsleistungen während einer kurzen Beschäftigungsdauer von einigen wenigen Wochen hat einen deutlich anderen Stellenwert als die Qualifikation über eine Zeitspanne von mehreren Jahren. Längere Arbeitsunterbrüche und Freistellungen am Ende des Arbeitsverhältnisses sind daher zu erwähnen, sofern sie im Verhältnis zur gesamten Beschäftigungsdauer erheblich ins Gewicht fallen.
Verlangt der Arbeitnehmer ein Vollzeugnis, kann er danach auch noch eine Arbeitsbestätigung einfordern und umgekehrt. Der Arbeitnehmer kann aber nicht verlangen, ein Vollzeugnis habe sich zwar über seine guten Arbeitsleistungen auszusprechen, sein Fehlverhalten am Arbeitsplatz müsse jedoch weggelassen werden. Zur Wahl stehen lediglich eine blosse Arbeitsbestätigung oder ein qualifiziertes Zeugnis, das vollständig ist.
Enthält ein Vollzeugnis beispielsweise keine Aussage über das Verhalten des Arbeitnehmers, ist dies nach dem Grundsatz des Wohlwollens so zu verstehen, dass jede Erwähnung des Verhaltens negativer wäre als gar keine Erwähnung. Es versteht sich von selbst, dass in solchen Fällen jeder Arbeitnehmer sofort das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen sollte. Fehlen Angaben versehentlich, muss der Arbeitgeber ein neues Arbeitszeugnis ausstellen und die Lücke mit einer wahren, aber wohlwollenden Formulierung schliessen. Die Personalabteilung kann bei dieser Gratwanderung gefordert sein.

5. Zeugnissprache

Das Zeugnis ist in der am Arbeitsort gebräuchlichen Sprache abzufassen. In Betrieben der Deutschschweiz ist das Zeugnis also regelmässig auf Deutsch abzufassen, auch wenn der Arbeitnehmer aus Lausanne stammt und Französisch spricht.
In international tätigen Unternehmen ist die Arbeitssprache oft eine andere als die lokal gebräuchliche Sprache. Einige Unternehmen sind sogar dazu übergegangen, ab einer gewissen Hierarchiestufe das gesamte Arbeitsverhältnis vollständig auf Englisch abzuwickeln. Unter solchen Umständen kann der Arbeitnehmer ein Zeugnis in der Arbeitssprache verlangen (regelmässig Englisch). Auf Wunsch ist dem Arbeitnehmer zusätzlich auch ein Zeugnis in der am Arbeitsort gebräuchlichen Sprache auszustellen (in unserem Beispiel auf Deutsch).

6. Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist die Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sowie der Beendigungsgrund (berufliche Weiterentwicklung, Kündigung, Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen) in den Zeugnistext aufzunehmen. Gegen den Willen des Arbeitnehmers darf der Austrittsgrund nur genannt werden, wenn ansonsten ein wesentlich falscher Gesamteindruck entstehen würde.

7. Datierung und Unterzeichnung des Arbeitszeugnisses

Das Zeugnis ist auf den Tag zu datieren, an dem es ausgestellt wird. Das Ausfertigungsdatum kann auch nach dem Endtermin des Arbeitsverhältnisses liegen.
Das Zeugnis ist von einem Vorgesetzten des Arbeitnehmers, allenfalls zusammen mit einer Person aus der Personalabteilung oder einem zweiten Vorgesetzten zu unterzeichnen. Würde das Zeugnis von untergeordneten Mitarbeitern oder Personen auf niedriger Funktionsstufe aus anderen Abteilungen unterzeichnet, wäre dies kränkend und würde die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers verletzen.

Mitarbeitende finden auf jobs.ch
Mitarbeitende finden auf jobs.ch

Inserieren Sie kostenlos eine Stelle auf dem grössten und beliebtesten Jobportal der Schweiz.

Jetzt kostenlos inserieren

Ratgeber & Checklisten
Alle Ressourcen
Alle Ressourcen

Downloaden Sie nützliche Whitepaper und Studien rund um die Rekrutierung.

Jetz entdecken
Rekrutierungs-Guide
Rekrutierungs-Guide

Erhalten sie einen Überblick über die 3 wichtigsten Phasen in der Rekrutierung.

Jetz entdecken
Vorlagen für Stellenbeschreibungen
Vorlagen für Stellenbeschreibungen

Sparen Sie mit unserer Vorlagen Zeit bei der Erstellung von Stellenbeschreibungen für Ihre offenen Stellen.

Jetz entdecken

Erhalten Sie aktuelle HR-News, Infos über Talent Management und Arbeitsrecht, Tipps & Checklisten sowie Details über interessante HR-Events.

Abonnieren
xNewsletter abonnieren

Werden Sie Teil unserer Community! Mehr als 20'000 Unternehmen profitieren von unseren regelmässigen HR-Beiträgen und Tipps.​

Jetzt Newsletter abonnieren​