Zu Beginn eines neuen Arbeitsverhältnisses gibt es nicht nur einen Arbeitsvertrag, sondern auch einen ungeschriebenen/psychologischen Vertrag. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen die zwei Perspektiven des psychologischen Arbeitsvertrages auf. Mit dem Wissen um diesen Vertrag, den es weder in der physischen Personalakte noch im digitalen Ordner gibt, gelingt es Ihnen zukünftig, Mitarbeitende besser zu binden und Frühflukationen zu vermeiden.
Psychologische Vertrag – was ist das
Eine vakante Stelle von wurde Ihnen erfolgreich besetzt. Der Vertrag wurde vom neuen Mitarbeitenden unterzeichnet. Auch Sie besiegeln die neue Zusammenarbeit mit Ihrer Unterschrift. Dies ist der normale Ablauf bei Anstellungen. Zum Schluss liegt ein relativ statischer Vertrag vor, der Bestandteil der Zusammenarbeit ist. Beide Seiten verpflichten sich die Rahmenbedingungen des Vertrages und OR/Arbeitsgesetzes einzuhalten. Der/die neue Mitarbeitende und Sie als Vertreterin des Unternehmens wissen, bei Nichterfüllung kann es arbeitsrechtliche Schritte geben.
Der psychologische Vertrag jedoch ist auf keinem Papier gedruckt, wird weder unterschrieben noch konkret angesprochen. Er ist auch nirgends digital abgelegt. Ein Vertragsbruch zieht sogar keine juristischen Konsequenzen mit sich. Aber er kann Verhaltensweisen stark beeinflussen, die dann andere Folgeerscheinungen haben, die genau so gewichtig sind. Es geht um die Erwartungen, Vermutungen, Interpretationen, Wünsche, die nicht im normalen Arbeitsvertrag festgelegt wurden.
Das bedeutet: Beide Seiten gehen beim Abschluss eines Arbeitsvertrages einen weiteren – imaginären – Vertrag ein. Der rechtliche, physisch fassbare Vertrag und der gedachte Vertrag. Dieser ist nicht stabil, sondern unterliegt einer gewissen Dynamik.
Was sind die Bestandteile des psychologischen Vertrags?
Seitens Arbeitgeber sind es z.B. diese Elemente:
- Loyalität
- Hoher Einsatz
- Sehr gute Arbeitsqualität
- Engagement
- Flexibilität
- Übernahme von freiwilligen Aufgaben
- Beachtung der Regeln/Eigentum des Unternehmens
- Serviceorientiert denken und handeln
- Weiterbildungen
- Bereitschaft zu Überstunden
Das bedeutet, dass diese Punkte von den neuen Mitarbeitenden erwartet werden. Sie wurden vielleicht im Gespräch sogar thematisiert. Sie sind jedoch nicht festgehalten worden, denn das würde den Rahmen sprengen.
Seitens Arbeitnehmer sind es Elemente wie:
- Aufstiegsmöglichkeiten
- Wertschätzung
- Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben
- Gute Arbeitsatmosphäre
- Sicherer Arbeitsplatz
- Verständnis
- Gutes Betriebsklima
- Gute Zusammenarbeit
- Faire Führung
- Interessante Projekte/Aufgaben
- Abgabe von Verantwortung
- Förderung von Gesundhet
- Entscheidungsspielräume gewähren
- Karriereförderung
- Leistungsorienterter Lohn
- (je nach Arbeitnehmergeneration)
Was nun tun, damit der psychische Vertrag von beiden Seiten eingehalten wird?
Stellen Sie dem neuen Mitarbeitenden die Fragen beim Bewerbungsgespräch: Was erwarten Sie von einem guten Arbeitgeber? Was dürfen wir von Ihnen erwarten? Führen Sie Stay-Gespräche mit Dialogkarten und schulen Sie die Führungskräfte auf dieses wichtige Thema. Beide Seiten müssen proaktiv sicherstellen, dass Ihre Erwartungen gehört und gesehen werden. Damit zeigt sich: offene, regelmässige Dialoge sind ein Schlüssel, damit der psychologische Vertrag kein Geheimprojekt ist, sondern in aller Offenheit Erwartungen thematisiert werden.
Der psychologische Vertrag besteht aus gegenseitigen Erwartungen. Nur eine offene, transparent und konstante Kommunikation kann diesen festigen. Sind Sie Führungskraft besprechen Sie die Erwartungen in jedem Feedbackgespräch. Das ist ein wichtiger Teil der Mitarbeiterbindung und vermeidet Frühfluktuationen etc.
Diana Roth ist aktive Personalerin und HRM-Mentor für KMU-Personalverantwortliche. Zudem ist sie HR-Dozentin, -Prüfungsexpertin, -Fachbuchautorin und hat seit 2017 den ersten Schweizer HRM-Podcast (Abenteuer HRM).