Vielfalt auf dem Mond – Diversity & Inclusion bei der ESA

Diversity & Inclusion

Die Europäische Weltraumorganisation ESA sucht seit 12 Jahren wieder Astronaut*innen und zum ersten Mal auch Parastronaut*innen mit körperlicher Beeinträchtigung – und setzt in der Schweiz dabei auf jobs.ch. Toleranz und Vielfalt spielen bei der ESA eine besonders wichtige Rolle. In einem Exklusiv-Interview erzählt uns Kamlesh Brocard, Schweizer Vertreterin des Diversity & Inclusion Netzwerks der ESA, wie Vielfalt bei der ESA gelebt wird und gibt Tipps, wie Unternehmen für mehr Diversity am Arbeitsplatz sorgen können.

Mathias Steger: Was ist die Rolle der Schweiz in der ESA?

Kamlesh Brocard: Die Schweiz ist seit Beginn des europäischen Weltraumabenteuers dabei und gehörte 1975 zu den zehn Gründungsmitgliedern. Derzeit hat die ESA 22 Mitgliedsstaaten. Aufgrund des kontinuierlichen politischen Engagements und der finanziellen Beiträge der Schweiz spielt das Land eine wichtige Rolle bei den ESA-Missionen, was sich in Forschungs- und Industrieaufträgen an Schweizer Einrichtungen für die Vorbereitung und Durchführung von Weltraummissionen niederschlägt. Darüber hinaus schafft die Raumfahrtindustrie in die Schweiz Arbeitsplätze und Wachstum weit über den Raumfahrtsektor hinaus.

Sie repräsentieren die Schweiz beim Diversity & Inclusion Netzwerks der ESA. Was bedeutet Diversity & Inclusion für Sie persönlich?

Das Ungleichgewicht in der Geschlechtervertretung ist in der Raumfahrt besonders offensichtlich. Der Versuch, ein Gleichgewicht in der Geschlechterverteilung zu erreichen, ist jedoch nur ein Schritt, denn Vielfalt in einem Team oder einer Organisation geht weit darüber hinaus. Es geht darum, die bestgeeigneten Menschen für die verschiedenen Jobs zu finden, die unterschiedlichen Geschlechts, Alters, oder kulturellen Hintergrunds sein können und das gesamte Spektrum unserer Gesellschaft repräsentieren. Bei der Inklusion soll sichergestellt werden, dass der Arbeitsplatz ein vielfältiger Ort ist, an dem sich jede/r bestmöglich arbeiten und sich weiterentwickeln kann.

Was ist die Diversity & Inclusion Philosophie bei der ESA?

In den letzten Jahren hat die ESA ihre Bemühungen verstärkt, zu einer vielfältigeren und bunteren Organisation zu werden. Ihr Ziel besteht darin, die Integration von Diversity & Inclusion in die Personalpolitik und -praxis zu fördern und das Bewusstsein der einzelnen Führungskräfte zu stärken. Als Arbeitgeber fördert die ESA zum Beispiel Initiativen, um die Attraktivität der Raumfahrt für einen vielfältigeren Pool talentierter Menschen in ihren Mitgliedstaaten zu erhöhen.

Es geht darum, die bestgeeigneten Menschen für die verschiedenen Jobs zu finden, die unterschiedlichen Geschlechts, Alters, oder kulturellen Hintergrunds sein können und das gesamte Spektrum unserer Gesellschaft repräsentieren.

Können Sie uns einige der aktuellen Projekte der ESA nennen?

Die ESA arbeitet gemeinsam mit anderen internationalen Einrichtungen unter anderem an folgenden Projekten:

  • Regelmässiger Austausch zu Gender- und Behinderungsfragen mit dem EIRO Forum
  • Ständige Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts Space4Women und Kooperation zum neuen Space4Disabilities mit dem Büro der Vereinten Nationen für Weltraumfragen
  • Austausch über Best Practices und Unterstützung für die Parastronaut*innen-Machbarkeitskampagne mit The Valuable 500

Die ESA sucht zum ersten Mal eine/n Parastronaut*in, also eine Person mit körperlicher Einschränkung. Können Sie mir mehr darüber erzählen?

Das ist ein Teil des Parastronaut*innen-Machbarkeits-Projekts. Es ist das erste Mal in der Welt, dass eine Raumfahrtbehörde diese Idee vorantreibt. Für die ESA steht diese Initiative für die europäischen Werte der Solidarität und der Inklusion. Wir sollen mutig sein und gleichzeitig die Sicherheit im Auge behalten. Bevor diese Stelle ausgeschrieben wurde, hat die ESA eine Reihe von Interessengruppen und Fachorganisationen konsultiert. Die offene Stelle hat die gleichen strengen Anforderungen betreffend Ausbildung und Berufserfahrungen. Die körperliche Beeinträchtigung kann etwa Kleinwuchs, amputierte Gliedmassen oder Beinlängendifferenz sein.

Ich bin überzeugt davon, dass es die Vielfalt an Fähigkeiten, Kulturen und Ansichtsweisen die Magie des Weltraums und der gesamten europäischen Raumfahrtgemeinschaft ausmacht.

Was sind einige Ihrer regelmässigen Aufgaben als Verantwortliche des Diversity & Inclusion Netzwerks der ESA?

Das Ziel dieses Netzwerks besteht darin, Vertreter*innen der verschiedenen Mitgliedsländer zusammenzubringen, um über verschiedene Initiativen der ESA informiert zu werden und um unsere Erfahrungen und Beobachtungen darüber auszutauschen, was in den einzelnen Ländern am besten funktioniert. Aus der Perspektive der Schweiz arbeite ich mit der ESA zusammen, damit ihre Rekrutierungen, ob für Astronaut*innen oder alle anderen Positionen, die verschiedenen geografischen und sprachlichen Regionen berücksichtigen.

Gibt es Massnahmen, um die ESA als LGBTQ-freundlichen Arbeitsplatz zu fördern?

Die ESA ist sehr aktiv, wenn es darum geht, einen LGBTQ-freundlichen Arbeitsplatz sicherzustellen. Um die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, tauscht sie sich mit der OECD aus und arbeitet aktiv mit ihr am Projekt «Stärke durch Vielfalt». Die Vielfalt hat bei der ESA Vielfalt eine sehr hohe Priorität und so wurden Richtlinien festgesetzt, die die Organisation zu einem Kulturwandel verpflichten und Änderungen in Bezug auf noch mehr Gleichstellung der Geschlechter, die Inklusion und Behinderungen vorsehen.

Wie stellt die ESA sicher, dass Frauen und Männer gleichbehandelt werden?

Die ESA verpflichtet sich als Arbeitgeber zu gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Die Europäische Weltraumorganisation verwendet systematisch eine genderneutrale und inklusive Sprache, egal ob bei Stelleninseraten, in der Werbung oder bei Videos. Ausserdem werden alle Kandidat*innen für sämtliche Führungspositionen immer sowohl von männlichen als auch von weiblichen Führungskräften interviewt. Die ESA setzt sich auch dafür ein, dass das gesamte Führungsteam die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz fordert. Auch eine regelmässige interne und externe Kommunikation zu diesem Thema ist sehr wichtig.

Der Arbeitsplatz bei der ESA kann im Büro, in verschiedenen Ländern oder sogar im Weltall sein. Ist das eine Herausforderung?

Ich denke, dass es gewisse Herausforderungen mit sich bringt, aber es ist auch eine Chance. Man mag vielleicht manchmal denken, dass es einfacher ist, mit Menschen desselben Backgrounds zusammenzuarbeiten. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass es die Vielfalt an Fähigkeiten, Kulturen und Ansichtsweisen die Magie des Weltraums und der gesamten europäischen Raumfahrtgemeinschaft ausmacht. Nur so können aussergewöhnliche Ziele erreicht werden, die einzelne Nationen nicht alleine erreichen können.

Wie würden Sie das Thema Diversity & Inclusion bei der ESA zusammenfassen?

Vielfalt und vollständige Inklusion sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Förderung von Innovationen und die Vorbereitung auf aktuelle und zukünftige Weltraummissionen. Die ESA braucht ebenso wie wir, ihre Partner und Stakeholder in den Mitgliedstaaten, die Vielfalt der Ansichten und des Fachwissens, um weiterhin innovativ zu bleiben und die europäischen Bürger*innen und die jüngere Generation für ihre Missionen zu begeistern.

Haben Sie Tipps für kleinere Unternehmen, wie sie eine Diversity & Inclusion Strategie in ihrem Unternehmen einführen können?

Diverse Studien belegen, dass Diversity & Inclusion zwei Schlüsselelemente für mehr Erfolg eines Unternehmens sind. Die Vielfalt an Erfahrungen, Standpunkten und Backgrounds ist entscheidend, um die Entwicklung neuer Ideen und Wege voranzutreiben.  Wenn unterschiedliche Perspektive und Standpunkte aufeinandertreffen, wird das «Thinking out of the Box» stimuliert. Dies kann nötig sein, um wettbewerbsfähig und innovativ zu bleiben und neue Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.

Ich glaube, dass es mehrere mögliche Massnahmen für KMU gibt, um für mehr Vielfalt und Toleranz am Arbeitsplatz zu sorgen. Es sollte mit dem Management beginnen, welches sich Gedanken machen sollte, wie Vielfalt im Unternehmen gelebt werde kann. Gleichzeitig sollte es ein Engagement für mehr Diversität geben. Diese Vision sollte an alle Mitarbeitenden kommuniziert werden und dabei sollte auch ein Einblick in die kurz- und mittelfristigen Projekte gegeben werden. Das Unternehmen sollte über ein bis zwei Massnahmen entscheiden, welche in naher Zukunft umgesetzt werden können. Ich denke auch, dass es für das Unternehmen von Vorteil wäre, sich an spezifische Berufsverbände zu wenden, um konkrete Ratschläge und Best Practices zu erhalten, von denen es lernen kann.

Kamlseh BrocardKamlesh Brocard ist Juristin beim Swiss Space Office, welches zum Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI gehört. Sie ist spezialisiert auf das Raumfahrtrecht und in der Schweiz für nationale Rechtsfragen sowie für die Kommunikation in Raumfahrtsangelegenheiten zuständig. In der ESA vertritt sie die Schweiz im Diversity & Inclusion Netzwerk sowie in den Beratungsausschüssen für Bildung und Kommunikation.

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