Adrian Gostick und Scott Christopher (Buch: The Levity Effekt) haben 1 Million Mitarbeitende befragt, was für sie einen Arbeitgeber attraktiv macht. Das Ergebnis: Es sind die Firmen, in denen häufig gelacht wird. Humor in der Rekrutierung ist wie Pfeffer. Es schmeckt die Rekrutierung erst richtig ab – aber zu viel löst beim Gegenüber einen Hustenanfall aus und lässt erröten.
Ein Blick auf Firmenhomepages in der Schweiz zeigt, dass Worte wie genau und seriös vermehrt genutzt werden. Diese beiden Worte stehen für Fach-Knowhow, Tradition, Ehrenhaftigkeit, Bodenständigkeit. Und ein Blick auf die Karriereseiten dieser Firmen zeigt auf, dass die Texte sehr seriös geschrieben sind und gleichwohl distanziert, vergilbt, old school und nichtssagend wirken.
Karriereseiten ähneln sich zu sehr
Manchmal beschleicht mich sogar das Gefühl, dass Unternehmen entweder voneinander abschreiben oder den gleichen Texter auf dem Silbertablett herumreichen. Liebe Personaler*innen, gehen wir doch einmal auf eine Gedankenreise. Sie wollen die richtigen Mitarbeitenden anziehen, Sie suchen aber jemand, der charismatisch, humorvoll, energiereich und innovativ sich für Ihr Unternehmen verbürgt. Sie präsentieren sich aber als eine Firma, die seriös und genau arbeitet, und von Humor ist auf Ihrer Website nichts zu spüren. Dann werden Sie nicht unbedingt humorvolle Talent erreichen.
Warum also nicht bereits ein wenig Humor im Stelleninserat? Humor ist immer noch in Businesstexten verpönt, weil Professionalität das oberste Gebot ist. Und sobald ein Wort von der Rekrutierungsnorm abweicht, bekommen Personaler*innen weiche Knie und sagen sich: „Das kann ich nicht so schreiben!“ Doch, kann man, wenn es zur Firma passt. Steife Stelleninserate will heute keiner mehr lesen. Und langweilige Karriereseite, die nur aus Phrasen zusammengesetzt sind, schrecken eher ab, als dass sie die Bewerbenden sofort zur Tastatur greifen lassen.
Mein Tipp: Schaffen Sie Nähe und keine formelle Distanz. Belehren Sie nicht, sondern tauscht Sie sich mit den Bewerbenden aus. Die menschlichste Methode, um mit Interessierten in Kontakt zu kommen, ist und bleibt der diplomatische Humor. Bewerbende sind nicht bloss in ihrer Freizeit Menschen, vergessen Sie das bitte nicht.
Humor im Bewerbungsgespräch?
„Das Bewerbungsgespräch ist eine ernste Sache – und gelacht wird Zuhause.“ Kommt Ihnen dieser Gedanke bekannt vor? Ich hingegen bin der Meinung: Der passende Humor ist ein kluger Eisbrecher und ein wirkungsvolles Werkzeug für meine HR-Kolleg*innen, mit dem man im Gespräch spielen kann.
Ist es nicht sympathisch, wenn die Interviewer den Bewerbenden ein echtes, warmen Lächeln schenken? Sie haben sich versprochen? Das ist doch kein Problem – es bietet die beste Steilvorlage über sich selbst zu lachen. Gerade das lockert ein Bewerbungsgespräch auf und damit machen Sie den Unterschied zur Konkurrenz. Und übrigens: Humorvolle Arbeitgeber werden sogar besser memorisiert und weiterempfohlen. (Untersuchung 2007 Christopher Robert, Universität Missouri-Columbia)
Lachen verbindet – auch Vorgesetzte und Bewerbende
Humor ist in der Rekrutierung hilfreich. Denn sie zeigt Stärke auf. Und damit ist nicht Klamauk gemeint, sondern Situationskomik und Freude am Tun, statt krampfhaft witzig zu sein. Lachen bzw. Lächelns signalisiert unserem Gegenüber, das alles ok ist. Etwaige Angst kann damit deutlich gesenkt werden. Das Bewerbungsgespräch kann ein echter Dialog auf Augenhöhe werden. Wir wollen doch wahrhafte Gespräche statt seelenloser, künstlich geschaffener Situationen, die den Blick auf den Charakter versperren.
Und wenn ein/e Vorgesetzte(r) über sich selbst lachen kann, strahlt er/sie Optimismus und Authentizität aus. Es ist durchaus professionell mal einen humorvollen Satz einzuschieben, welcher das Gegenüber zum Lächeln bringt. Dies, solang man nicht zu einer Art Witzfigur mutiert. Humor lässt Personaler*innen wie auch Vorgesetzte in einem Bewerbungsgespräch kompetenter wirken.
Wussten Sie, dass Bewerbende alles aufnehmen, was sie vor sie vor, während und nach dem Bewerbungsgespräch erleben. Das ist die Arbeitskultur, die sie bemerken, wenn sie in der Sitzecke auf ihren Termin warten. Während sie offiziell die Firmenzeitung lesen, beobachten sie, welcher Umgangston herrscht. Sie beobachten, ob die Bürotüren geschlossen sind, ob Mitarbeitende in den Gängen lachen oder ob die Dame vom Empfang sie mit Namen angesprochen hat. Alles wirkt.
Humor in Bewerbungsprozessen und im Arbeitsleben lassen Arbeitgeber nicht nur menschlicher erscheinen, sondern zeigen auch die emotionale Intelligenz der Interviewer auf. Die offizielle Schwere eines solchen Gesprächs wird damit genommen und aus einem Verhör wird ein echter Dialog mit Mehrwert. Laden Sie die Mitarbeiter zu einer Reise in eine humorvoll geprägte Firmenkultur ein und gewinnen Sie ihn für ihr Unternehmen. Das schlägt jedes noch so besseres Lohnangebot der Konkurrenz.
Diana Roth ist seit 2003 als selbstständiger HRM-Coach tätig. Zudem ist sie HR-Dozentin, -Prüfungsexpertin, -Fachbuchautorin und hat seit 2017 ihren eigenen HR-Podcast »Abenteuer HRM» .Mit ihrer langjährigen Berufserfahrung unterstützt sie überwiegend Führungskräfte und Personalverantwortliche in KMU. Mehr auf www.dianarothcoaching.com.