Seit der COVID-19-Pandemie sind viele Mitarbeitende von Schweizer Arbeitgebern minestens teilweise im Homeoffice tätig. Dies führt zu offenen Fragen, etwa betreffend Besteuerung und Versicherung von Grenzgängern, Rückerstattung von Kosten oder Unfällen. Dr. Martina Steiner, Nadine Bosshard und Dr. Ariane Ernst von der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie in Zürich haben die Antworten für einige Sonderfälle.
Was sind für Mitarbeitende und Arbeitgeber die Vorschriften bei Homeoffice-Tätigkeiten?
Grundsätzlich sind die allgemeinen Vorschriften des Individualarbeitsrechts anwendbar. Die Notstandsregelungen des Bundesrates erhalten nunmehr keine Bestimmungen, welche die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer direkt regeln. Die Verordnung 3 vom 19. Juni 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) (Covid-19-Verordnung 3, Gültigkeit bis zum 13. September 2020) hat u.a. die Bestimmungen zum Schutz besonders gefährdeter Arbeitnehmer wieder aufgehoben (vormals in Art. 10c Abs. 7 der Covid-19-Verordnung 2 geregelt). Die gesetzlichen Vorschriften des Individualarbeitsrechts, insbesondere des Schweizerischen Obligationenrechts, finden daher auch in der vorliegenden Situation weiterhin uneingeschränkte Anwendung. Weitere Entwicklungen, insb. weitere Anpassungen der Covid-19-Verordnung 3, sind zu beobachten.
Hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer im Homeoffice besondere Verpflichtungen?
Die allgemeinen Pflichten des Arbeitgebers gelten auch im Homeoffice. Diese sind insb. in Art. 322–330a OR geregelt und beinhalten die Lohnzahlungspflicht sowie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Weitere Schutzpflichten sind u.a. im Arbeitsgesetz zu finden. Der Arbeitgeber ist unter Umständen verpflichtet, für gewisse Kosten aufzukommen, die dem Arbeitnehmer durch die Arbeit zu Hause entstehen.
In der aktuellen Situation (Pandemie) kommt besonders der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine wichtige Rolle zu. Im Rahmen dieser hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit und andere berechtigte Interessen des Arbeitnehmers, insbesondere auch die Gesundheit des Arbeitnehmers, zu schützen und zu würdigen. Während die Implementierung von geeigneten Schutzmassnahmen am üblichen Arbeitsplatz zur Vorbereitung einer möglichen Rückkehr aus dem Homeoffice diesbezüglich von Bedeutung sind, ist im Rahmen der Arbeit im Homeoffice auch ein Auge auf die psychische Gesundheit des Arbeitnehmers zu legen. Die Trennung von Privat- und Berufsleben im Homeoffice dürfte nicht jedem Arbeitnehmer gleich leichtfallen. In diesem Zusammenhang kommt auch der Pflicht des Arbeitgebers sicherzustellen, dass die vorgeschriebenen Arbeitszeitvorschriften eingehalten und die Arbeitszeiten erfasst werden, eine stärkere Bedeutung zu.
Kann der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber aufgrund von Heimarbeit die Rückerstattung von gewissen Kosten (wie Internet, Arbeitsplatz) verlangen? Gab es hier in der Schweiz während COVID-19 bereits Gerichtsentscheide?
Es muss unterschieden werden, um welche Kosten es sich konkret handelt. Das Gesetz unterscheidet zwischen Arbeitsgeräten und Material sowie notwendigen Auslagen. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Arbeitsgeräte und das Material zur Verfügung zu stellen. Dies gilt uneingeschränkt auch dann, wenn Arbeiten im Homeoffice ausgeführt werden. Zu den Arbeitsgeräten und dem Material gehören das übliche Büromaterial (Papier, Schreibwaren), aber auch die IT-Infrastruktur (Computer, Maus, Drucker) und die Arbeitsplatzeinrichtung (Pult, Stuhl). Wenn der Arbeitnehmer im Einverständnis mit dem Arbeitgeber selbst Geräte oder Material für die Ausführung der Arbeit zur Verfügung stellt, so ist er dafür grundsätzlich angemessen zu entschädigen. Von diesem Grundsatz bestehen aber auch Ausnahmen: Wo es anders verabredet oder üblich ist, hat der Arbeitnehmer diese Kosten zu tragen (Art. 327 OR). So könnte eine solche Entschädigung durch Parteiabrede im Arbeitsvertrag wegbedungen sein. Ferner könnte eine Übung zwischen den Parteien bspw. dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer bereits in der Vergangenheit im Homeoffice arbeitete und dafür keine Entschädigung geltend machte oder der Arbeitgeber über eine allgemein gültige Homeoffice Regelung verfügt, die eine Entschädigung ausschliesst.
Zudem hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ihm durch die Homeoffice-Tätigkeit entstehenden notwendigen Auslagen zwingend zu ersetzen (Art. 327a Abs. 1 OR). In diversen Artikeln der Tagespresse wurde in diesem Zusammenhang das Urteil 4A_533/2018 vom 23. April 2019 thematisiert, in welchem das Bundesgericht einem Arbeitnehmer für die Nutzung eines Zimmers in der privaten Wohnung als Arbeitszimmer für Homeoffice eine Entschädigung in der Höhe von CHF 150 zugesprochen hat (Erwägung 6). Jedoch stand dem Arbeitnehmer im genannten Fall beim Arbeitgeber gar kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung. Der Entscheid kann daher nicht ohne Weiteres auf die aktuelle Situation übertragen werden, da in den meisten Fällen der Arbeitgeber wohl einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, dieser aufgrund der andauernden Pandemie nicht in Anspruch genommen werden soll oder genommen werden möchte.
Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass wenn die Homeoffice-Tätigkeit im Interesse des Arbeitgebers erfolgt, dieser dem Arbeitnehmer die entsprechenden notwendigen Kosten wie Kosten für Telefonie, Strom oder Internet zu ersetzen hat. Eine Vereinbarung einer Pauschalentschädigung ist zulässig, sofern diese alle notwendigen Auslagen deckt. Verschiedene Experten sind allerdings der Ansicht, dass in der momentanen Ausnahmesituation erhöhte Fürsorgepflichten der Arbeitgeber sowie auch erhöhte Treuepflichten der Arbeitnehmer gelten. Unter diesen Umständen befürworten sie eine vorübergehende pragmatische Auslegung der genannten Vorschriften. So soll der Arbeitgeber die Kosten nur ersetzen, wenn Ausgaben anfallen, die über die übliche Grundausstattung hinausgehen (bspw. überdurchschnittliche Auslandstelefonie). Was zur üblichen Grundausstattung gehört ist im Einzelfall, insb. basierend auf der Art der Arbeit und der beruflichen Stellung, zu bestimmen.
Wie ist man im Homeoffice versichert? Würde ein Unfall während der Arbeitszeit zu Hause als Arbeitsunfall gelten?
Die bestehenden Sozialversicherungen wie AHV, IV, EO, ALV, Berufliche Vorsorge (BVG), Obligatorische Unfallversicherung (UVG) sowie die Krankenpflegeversicherung laufen im Homeoffice für Angestellte mit Wohnsitz in der Schweiz grundsätzlich weiter.
Als Berufsunfälle gelten Unfälle, die dem Versicherten bei Arbeiten zustossen, die er auf Anordnung des Arbeitgebers oder in dessen Interesse ausführt. Als Berufsunfälle gelten auch Unfälle während der Arbeitspausen sowie vor und nach der Arbeit, wenn sich der Versicherte befugterweise am Arbeitsplatz, auf dem Betriebsareal oder im Bereich der mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängenden Gefahren aufhält (Art. 7 Abs. 1 UVG). Die Abgrenzung zwischen Berufs- und Nichtberufsunfallversicherung ist bei einem Unfall zu Hause im Homeoffice also schwierig und im Einzelfall vorzunehmen.
Muss man die Homeoffice-Tätigkeit in seinem eigenen zu Hause erledigen oder kann man dafür auch einen anderen Ort wählen?
Im Rahmen des Weisungsrechts darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zuweisen (Art. 321d OR). Oftmals ist der Arbeitsort bereits durch Abrede der Parteien im Arbeitsvertrag geregelt, woran die Parteien gebunden sind und das Weisungsrecht des Arbeitgebers in dieser Hinsicht beschränkt.
Im Rahmen der Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber aber alles Notwendige und ihm Zumutbare unternehmen, um die Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen. Daraus kann sich unter Umständen eine Obliegenheit ableiten, dem Arbeitnehmer Homeoffice zu ermöglichen. Wenn keine besonderen Umstände dagegensprechen, hat der Arbeitnehmer den Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsortes, d.h. zu Hause, Folge zu leisten. Die eigenmächtige Verlegung des Arbeitsortes ist daher nicht zulässig. Wenn der Arbeitnehmer einen anderen Ort wählen möchte, soll daher vorab das Einverständnis des Arbeitgebers eingeholt werden.
Wie sieht die Situation aus, wenn jemand im Ausland im Homeoffice tätig ist? Müssen dann unter bestimmten Voraussetzungen auch in diesem Land Steuern/Versicherungen bezahlt werden? Gibt es aufgrund von COVID-19 Ausnahmebestimmungen und wie verhält es sich mit Grenzgängern aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein bzw. Italien?
Die Antwort fällt unterschiedlich aus, je nachdem ob ein Grenzgänger, der bereits in der Schweiz tätig gewesen ist oder ein neu eintretender Mitarbeiter im Ausland arbeitet. Folgend wird auf die wohl mehr verbreitete Situation – der Grenzgänger der aufgrund der Pandemie die Arbeiten vom Homeoffice im Ausland aus erledigt – eingegangen.
In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht sollte für die Tätigkeit im Homeoffice in einem EU / EFTA Staat aufgrund der Pandemie momentan ausnahmsweise kein Problem bestehen. Zwischen der Schweiz und ihren Nachbarländern besteht nämlich Einigkeit, dass ein durch COVID-19 begründetes, vorübergehendes Arbeiten im ausländischen Homeoffice nicht dazu führt, dass dieser Mitarbeiter dem dortigen Sozialversicherungssystem unterstellt würden. Vielmehr verbleibt der Grenzgänger weiterhin im Schweizer Sozialversicherungssystem. Da die Homeoffice-Empfehlung des Bundesrats aber seit geraumer Zeit nun nicht mehr gilt und Arbeitnehmende vermehrt an ihre Arbeitsplätze in der Schweiz zurückkehren, zeichnet sich ein Ende dieser Vereinbarung ab. Gemäss des Bundesamtes für Sozialversicherungen gilt in Bezug auf Deutschland die flexible Anwendung der Unterstellungsregeln bis zum 31.12.2020. Im Verhältnis zu Frankreich und Österreich gilt diese bis zum 31.08.2020. Wir raten somit, die Situation im Auge zu behalten und laufend zu prüfen.
Im Einzelfall zu klären sind dagegen die steuerlichen Auswirkungen des ausländischen Homeoffice, da die zusätzlichen Tage im Homeoffice eine Auswirkung auf allfällige steuerliche Verpflichtungen des schweizerischen Arbeitgebers haben können.
Einerseits betrifft dies allfällige Pflichten zum Abzug der Quellensteuern:
- Die Schweiz hatte sich im Mai mit Frankreich geeinigt, dass Tage im Homeoffice in Folge von Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie für die Besteuerung als Grenzgänger unter dem speziellen Grenzgänger-Regime in den acht Grenzkantonen (dazu zählt nicht der Kanton Genf) keinen Einfluss haben. Die Regelung wurde am 28. August 2020 bis zum 31. Dezember 2020 verlängert.
- Die Schweiz hat sich im Juni auch mit Deutschland geeinigt, dass Tage, an denen deutsche Grenzgänger nur aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie im Homeoffice arbeiten, weiterhin als in der Schweiz verbrachte Arbeitstage für das spezielle Grenzgänger-Regime gelten und sich daher an ihrer Besteuerung nichts ändert. Dem Arbeitnehmer kommt die Wahl zu, ob er von dieser Regelung Gebrauch machen möchte oder nicht. Mehr Informationen sind hier Die Geltung der Regelung wird automatisch um einen Monat verlängert, ausser sie wird von der Schweiz oder Deutschland gekündigt.
- Die Schweiz hat sich im Juni zudem mit Italien geeinigt, dass Tage, an denen italienische Grenzgänger nur aufgrund staatlicher Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie im Homeoffice arbeiten, weiterhin als in der Schweiz verbrachte Arbeitstage gelten und sich daher an ihrer Besteuerung nichts ändert. Die Geltung der Regelung wird automatisch um einen Monat verlängert und endet, wenn die letzte staatliche Massnahme ausser Kraft tritt, es sei denn sie wird von der Schweiz oder Italien vorzeitig gekündigt.
- Mit Liechtenstein und Österreich wurden keine besonderen Regeln für Homeoffice in Folge von Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie vereinbart. Die Schweiz hat auch keine generelle Stellungnahme publiziert.
- Gesamthaft empfiehlt es sich, die Inland- und Auslandtage der Mitarbeiter zu dokumentieren, einschliesslich inwiefern diese auf Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie zurückzuführen sind.
Andererseits stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit des Grenzgängers im Homeoffice gegebenenfalls dazu führen könnte, dass der Schweizer Arbeitgeber im Wohnsitzstaat des Mitarbeiters eine Betriebsstätte begründet und daher dort selbst steuerpflichtig wird. Diesbezüglich haben die OECD wie auch verschiedene Staaten (z.B. Irland, Australien) verlauten lassen, dass die Anwesenheit von Mitarbeitern in Folge von Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für eine Betriebsstätte eher nicht in Betracht zu ziehen sei. Es bleibt jedoch eine Analyse der Umstände des Einzelfalls vorbehalten bzw. seitens des Arbeitgebers notwendig.
Martina Steiner & Nadine Bosshard: Ferner ist im Zusammenhang mit Homeoffice im Ausland zu beachten, dass die Gerichte am Wohnort der Mitarbeiter ihre Zuständigkeit zur Beurteilung vertraglicher Ansprüche der Mitarbeiter gegenüber ihrer Arbeitgeberin allenfalls bejahen könnten. Diese Gefahr wird grösser, je länger im Homeoffice gearbeitet wird. Haben die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass schweizerisches Recht zur Anwendung gelangt, wird das ausländische Gericht diese Rechtswahl akzeptieren, kann aber seine grundlegenden innerstaatlichen Schutzvorschriften gleichwohl zur Anwendung bringen, was namentlich bei einer Kündigung eines Mitarbeiters problematisch sein könnte. Eine Rechtswahl zugunsten des schweizerischen Rechts ist gleichwohl zu empfehlen.
Wie würden Sie die aktuellen Herausforderungen zusammenfassen?
Auch in dieser Ausnahmesituation, an die sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits ein wenig gewöhnt haben, gelten alle bestehenden gesetzlichen Bestimmungen weiter. Insbesondere zu erwähnen sind Geheimhaltungspflichten oder Vorschriften zum Datenschutz. Wenn sich mehrere Personen einen Raum teilen oder neue Software zum Einsatz kommt, muss besondere Vorsicht an den Tag gelegt werden. Wie bereits erwähnt, sind die Vorschriften des Arbeitsgesetzes zu beachten, besonders die Ruhezeiten, das Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit sowie der Gesundheitsschutz und die Arbeitszeiterfassung. Deren Umsetzung dürfte für gewisse Arbeitgeber eine Herausforderung darstellen.
Die Tätigkeit im Homeoffice, insbesondere aufgrund der COVID-19-Pandemie, wirft teilweise noch ungeklärte Fragen aus arbeitsrechtlicher Perspektive auf. Vor diesem Hintergrund ist es aus der Sicht beider Parteien empfehlenswert, eine schriftliche Vereinbarung betreffend Homeoffice und den damit verbundenen Konsequenzen zu treffen.
Dr. Martina Patricia Steiner ist Mitglied der Praxisgruppe Dispute Resolution sowie des Arbeitsrechtsteams von Baker McKenzie in Zürich. Sie vertritt regelmässig Klienten vor schweizerischen Gerichten und ist ausserdem beratend im Arbeitsrecht tätig.
Nadine Bosshard ist Mitglied der Praxisgruppe für Geistiges Eigentum und Technologie sowie des Arbeitsrechtsteams von Baker McKenzie in Zürich. Sie berät Klienten hauptsächlich in den Bereichen Markenrecht, IT und Handelsrecht sowie im Arbeitsrecht.
Ariane Ernst ist Mitglied der Praxisgruppe für Steuerrecht von Baker McKenzie in Zürich. Sie berät hauptsächlich zu nationaler und internationaler Unternehmens- und Individualbesteuerung, Steuerstreitigkeiten und Mehrwertsteuer.