Rechtliche Verpflichtungen und Möglichkeiten für Arbeitgeber rund um das Coronavirus

Corona - rechtliche Infos

Zum Thema Coronavirus überschlagen sich zurzeit die Meldungen. Viele Länder und auch die Schweiz ergreifen ständig neue Massnahmen, um die Verbreitung von COVID-19 so gut wie möglich zu verlangsamen. Dabei entstehen auch für die Arbeitgeber unzählige Fragen, wie sie sich verhalten und ihre Mitarbeitenden schützen sollen und was ihnen das Gesetz vorschreibt. Roland Bachmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Der Arbeitgeber hat gegenüber den Mitarbeitenden eine Fürsorgepflicht. Was bedeutet diese Fürsorgepflicht in der aktuellen Situation?

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer alle erforderlichen und geeigneten Massnahmen zu treffen. Die Grenze dieser Schutzpflicht ist das wirtschaftlich Zumutbare und technisch Mögliche. In der aktuellen Situation geht die Fürsorgepflicht sicherlich weiter als sonst. Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie die behördlichen Empfehlungen umsetzen und auf die gesundheitlichen Anliegen der Arbeitnehmer möglichst Rücksicht nehmen.

Was können und müssen Arbeitgeber konkret tun, um die Mitarbeitenden zu schützen?

Die Pflicht des Arbeitgebers, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen, ergibt sich nicht nur aus dem Arbeitsvertrag bzw. der daraus fliessenden Fürsorgepflicht. Auch das Arbeitsgesetz schreibt vor, dass der Arbeitgeber Massnahmen zum Gesundheitsschutz treffen muss. In der aktuellen Situation haben Arbeitgeber ausreichend Flüssigseife und Einwegtücher für das Händewaschen zur Verfügung zu stellen. Betriebe lassen auch vermehrt die Kontaktoberflächen wie Türgriffe an Aussentüren und bei den sanitären Einrichtungen reinigen.

In grösseren Kantinen wurden weiter etwa gestaffelte Essenszeiten eingeführt und die Mitarbeitenden angewiesen, am Tisch jeweils einen Stuhl zwischen zwei Personen frei zu lassen. In anderen Unternehmen wurden die Mitarbeitenden angewiesen, auf das Händeschütteln als Begrüssungsritual zu verzichten und Meetings nicht mehr persönlich, sondern als Telefon- oder Videokonferenz abzuhalten. Als weitere Massnahme haben einige Unternehmen ihren Mitarbeitenden empfohlen, wenn immer möglich das Homeoffice als Arbeitsplatz zu wählen und den öffentlichen Verkehr in Stosszeiten zu vermeiden.

In einem späteren Verlauf der Epidemie sind drastischere Massnahmen denkbar, wobei jedoch stets die Verhältnismässigkeit gewahrt werden muss. Die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dürfen gerade in aussergewöhnlichen Zeiten nicht vergessen werden. Wichtig ist, kühlen Kopf zu bewahren und die erforderlichen Massnahmen mit viel Fingerspitzengefühl umzusetzen.

Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie die behördlichen Empfehlungen umsetzen und auf die gesundheitlichen Anliegen der Arbeitnehmer möglichst Rücksicht nehmen.

Vor allem kleinere Unternehmen sind unsicher, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen sollen. Was sind diesbezüglich ihre Empfehlungen bzw. schreibt das Gesetz etwas vor?

Die gesetzlichen Vorschriften selbst sind nicht konkret formuliert. Den Unternehmen ist zu empfehlen, täglich die Webseiten des Bundesamtes für Gesundheit BAG und der kantonalen Stellen zu konsultieren. Die behördlichen Empfehlungen zeigen konkret auf, wie in der aktuellen Situation vorgegangen werden soll. Die empfohlenen Massnahmen können in einem gewissen Mass an die jeweiligen Verhältnisse im Betrieb angepasst werden. Was für ein Grossunternehmen unerlässlich sein kann, muss in einem Kleinbetrieb nicht zwingend richtig sein.

Viele Unternehmen bitten Mitarbeitende, im Homeoffice zu arbeiten. Haben sie das Recht dazu bzw. können sie Arbeitnehmer zu Heimarbeit zwingen?

Das Arbeitsgesetz verpflichtet die Arbeitnehmer, den Arbeitgeber bei der Umsetzung des Gesundheitsschutzes zu unterstützen. Viele Arbeitsrechtler halten es daher in der aktuellen Situation für zulässig, zum Schutz der Mitarbeiter Arbeit im Homeoffice anzuordnen, auch wenn dies im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich vorgesehen ist.
Der Arbeitgeber ist gesetzlich dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer einen funktionierenden Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Ordnet daher der Arbeitgeber Arbeit im Homeoffice an und entstehen dadurch dem Arbeitnehmer Mehrkosten, müssen diese vom Arbeitgeber getragen werden. Fehlt die erforderliche Infrastruktur und ist der Arbeitgeber nicht bereit, für die Kosten aufzukommen, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft anbieten und auf weitere Instruktionen warten, ohne dabei seinen Lohnanspruch zu verlieren.
Andererseits darf in der aktuell aussergewöhnlichen Situation vom Arbeitnehmer erwartet werden, dass er den vorhandenen Internetanschluss und seine privaten Geräte für die Arbeit im Homeoffice nutzt. Homeoffice stellt jedoch in vielen Berufen keine Option dar. Die Kassiererin muss hinter der Kasse sitzen, damit sie den Lebensmitteleinkauf des Kunden abrechnen und einkassieren kann. Ähnliches gilt für Bauarbeiter, Spediteure, die Pflegeberufe usw.

Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, die konkreten Massnahmen im Betrieb umzusetzen. Sie müssen insbesondere die Hygieneregeln einhalten und sollten ihre Teamkollegen nicht unnötig gefährden.

Was müssen und sollen Arbeitnehmer konkret tun, um sich und andere Mitarbeitende in der Arbeit zu schützen? Inwieweit ist das gesetzlich geregelt?

Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, die konkreten Massnahmen im Betrieb umzusetzen. Sie müssen insbesondere die Hygieneregeln einhalten und sollten ihre Teamkollegen nicht unnötig gefährden. Dazu gehört auch, den Arbeitgeber umgehend zu informieren, wenn Fieber oder andere Krankheitssymptome auftreten. Durchhalten bis Arbeitsschluss ist in der aktuellen Situation keine gute Idee.

Können Arbeitnehmer vom Arbeitgeber konkrete Massnahmen verlangen und wenn ja welche?

Arbeitnehmer können aktuell vom Arbeitgeber verlangen, dass ihnen ausreichend die Möglichkeit geboten wird, sich die Hände zu waschen und genügend Abstand zu Mitarbeitern und Kunden zu halten. Im weiteren Verlauf der Epidemie stehen dem Arbeitnehmer je nach den Umständen weitergehende Ansprüche zu.

Haben Mitarbeitende das Recht, aus Angst vor einer möglichen Ansteckung nicht mehr ins Büro zu kommen und ihre Arbeit von zu Hause zu erledigen?

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer im Büro erscheint und dort seine Arbeit verrichtet. In der aktuellen Situation sollte jedoch der Dialog gesucht werden. Kann die Arbeit von zu Hause aus problemlos und ohne Mehrkosten erledigt werden, sollte das Homeoffice auf Wunsch des Arbeitnehmers ernsthaft in Betracht gezogen werden. Die betrieblichen Arbeitsabläufe und der Kundenkontakt können aber berechtigterweise gegen Homeoffice sprechen. In solchen Fällen sind gesunde Arbeitnehmer nicht berechtigt, aus Angst vor einer Ansteckung mit COVID-19 dem Arbeitsplatz fernzubleiben.
Anders ist es aber wohl, wenn der Arbeitnehmer zu einer Gruppe mit erhöhtem Risiko gehört, welche einen schweren Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit COVID-19 wahrscheinlich erscheinen lassen. Dies trifft aktuell zum Beispiel zu, wenn eine ältere Person bereits an einer anderen chronischen Krankheit leidet und deshalb geschwächt ist. Bleiben solche Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung der Arbeit fern, wäre dies wohl als unverschuldete, persönliche Arbeitsverhinderung zu beurteilen.

Darf man rechtlich belangt werden, wenn man jemanden fahrlässig ansteckt, etwa wenn man zu wenig Vorsichtsmassnahmen bei der Arbeit trifft?

Wer vorsätzlich und aus gemeiner Gesinnung eine gefährliche übertragbare Krankheit verbreitet, kann strafrechtlich belangt werden. Eine bloss fahrlässige Ansteckung würde aber für eine Strafverfolgung nicht genügen.

Da das Virus COVID-19 neuartig ist, kann zum heutigen Zeitpunkt nicht abschliessend beurteilt werden, ob eine gefährliche Krankheit im Sinne des Strafgesetzbuches vorliegt. Wer Fieber und Husten hat, sollte jedenfalls in der aktuellen Situation zu Hause bleiben und telefonisch einen Arzt konsultieren.

Wie sind die Regelungen, wenn man gezwungen wird, in Quarantäne zu gehen?

Die Umstände, unter denen eine Quarantäne angeordnet wird, müssen rechtlich sehr sorgfältig analysiert werden. Je nachdem, wer die Quarantäne anordnet und aus welchen Gründen, zieht dies arbeitsrechtlich andere Konsequenzen nach sich. Eine abschliessende Beurteilung wird regelmässig erst möglich sein, wenn die konkrete Quarantäne-Anordnung auf dem Tisch liegt.
Arbeitgeber können jedenfalls keine Quarantäne im eigentlichen Sinn anordnen. Sie können jedoch die Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freistellen und nach Hause schicken. In solchen Fällen bleiben sie zur weiterhin zur Lohnzahlung verpflichtet, obwohl keine Arbeitsleistung mehr erbracht werden muss.
Ordnet dagegen eine Behörde aufgrund der Verbreitung des Coronavirus flächendeckend eine Ausgangs- und Arbeitssperre an, sind beide Vertragsparteien gleichermassen betroffen. Der Arbeitgeber muss den Betrieb geschlossen halten und der Arbeitnehmer darf seine Wohnung nicht verlassen. Eine derart drastische Massnahme lässt meines Erachtens gleichzeitig die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers einerseits und die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers andererseits entfallen.

Kann man rechtlich belangt werden, wenn man Quarantäne-Vorschriften missachtet?

Das Epidemiengesetz sieht Bussen vor, wenn sich jemand einer behördlich angeordneten medizinischen Überwachung, einer Quarantäne oder Absonderung vorsätzlich oder fahrlässig entzieht.

Kann für Mitarbeitende Kurzarbeit angeordnet werden? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber jederzeit anordnen, dass die Arbeitnehmer weniger arbeiten sollen. Normalerweise bleibt er dann aber für die ausfallende Arbeitszeit lohnzahlungspflichtig. Anders ist es, wenn die Kurzarbeit nach vorgängiger Anmeldung von der zuständigen kantonalen Behörde bewilligt wurde.
Kurzarbeit kann beantragt werden, wenn als Folge der Ausbreitung des Coronavirus die Nachfrage und damit die Umsätze eines Unternehmens einbrechen. Massgebend ist, dass sich das Arbeitsvolumen vorübergehend um mindestens zehn Prozent verringert und die Arbeitsausfälle durch unvermeidliche Umstände verursacht werden, die nicht zum normalen Betriebsrisiko gehören. Das SECO hat in dieser Hinsicht bereits bekanntgegeben, dass der Ausbruch des Coronavirus und dessen Auswirkungen auf die Unternehmen nicht zum normalen Betriebsrisiko gehören und deshalb Kurzarbeit beantragt werden kann.
Die Kurzarbeit muss bei der zuständigen kantonalen Amtsstelle beantragt werden. Die Voranmeldung hat mindestens zehn Tage vor Einführung der Kurzarbeit zu erfolgen. Die Behörden haben dazu Formulare bereitgestellt.

Wer trägt bei Kurzarbeit die Kosten?

Wird Kurzarbeit bewilligt, reduziert sich das Pensum der Mitarbeitenden vorübergehend um mindestens zehn bis maximal hundert Prozent. Für den Prozentanteil, den die Mitarbeitenden noch arbeiten, bezahlt der Arbeitgeber den Lohn. Für die ausfallende Arbeitszeit richtet die kantonale Arbeitslosenkasse nach einigen Karenztagen pro Monat Kurzarbeitsentschädigung im Umfang von 80 Prozent des ausfallenden Lohns aus, sofern das Arbeitsverhältnis weder befristet eingegangen wurde noch gekündigt ist. Der Bundesrat hat die Karenzfrist bis 30. September 2020 auf einen Tag verkürzt und prüft derzeit weitere Lockerungen.
Kündigt der Arbeitgeber somit das Arbeitsverhältnis erst nachträglich nach der Einführung der Kurzarbeit, muss er die Lohnausfälle nachzahlen. Es wird nämlich angenommen, der Arbeitnehmer habe der Kurzarbeit nur unter der Bedingung zugestimmt, dass sein Arbeitsplatz erhalten bleibt.

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