Gezielte Ansprache der Kandidaten durch Content Recruiting – so kann’s gehen

Im Rahmen der neunten recruitingconvention, die im Oktober im Lakeside in Zürich über die Bühne ging, erörterte Frank Rechsteiner in seiner Präsentation, wie es gelingen kann, durch Content Recruiting ganz gezielt Kandidaten zu erreichen. Wir haben uns nach der Veranstaltung mit dem HR-Experten genauer über dieses Thema unterhalten. Ausserdem verlosen wir drei Exemplare seines letzten Fachbuchs «Recruiting Mindset».

Mathias Steger: Was verstehen Sie genau unter Content Recruiting?

Frank Rechsteiner: Die meisten Unternehmen haben die Erfahrung gemacht, dass heute der klassische Rekrutierungsprozess mit Post & Pray allein nicht mehr funktioniert. Viele betreiben daher bereits Active Sourcing und sprechen so die potenziellen Kandidaten direkt an. Das ist ein wichtiger Schritt, aber heute vielfach nicht mehr ausreichend. Einer der erfolgversprechendsten Kanäle ist heute das Content Recruiting. Dieses basiert auf der Annahme, dass sich potenzielle Mitarbeitende nicht mehr bei den Arbeitgebern bewerben, sondern über interessanten Content auf das Unternehmen aufmerksam gemacht werden und dann selber direkt auf die Organisation zukommen.

Wie könnte Content Recruiting konkret aussehen?

Es geht darum, in spezifischen Medien zu publizieren, um so die potenziellen Mitarbeitenden genau dort anzusprechen, wo sie sind und sich informieren. Vor allem im IT-Bereich und in anderen Bereichen mit Fachkräftemangel sollten Unternehmen durch besondere Projekte oder Technologien herausstechen und diese Errungenschaften dann über Content Recruiting in den entsprechenden zielgruppenspezifischen Medien vorstellen. So können Unternehmen sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren und das Interesse von potenziellen Kandidaten auf sich lenken.

Wo könnte ein solcher Content publiziert werden?

Die wichtigste Frage ist dabei: Wo befindet sich die relevante Zielgruppe? Wenn etwa im IT-Bereich Personal gesucht wird, dann sollte ein Unternehmen seine eigenen IT-Fachleute fragen, wo sie sich am häufigsten informieren. Das können etwa Fachzeitschriften, technologische Online-Plattformen, Foren oder Blogs sein.

Heisst Content Recruiting also auch, dass die unterschiedlichen Zielgruppen auf unterschiedliche Weise angesprochen werden sollen?

Das ist für die Zukunft unbedingt anstrebenswert. Die meisten Organisationen haben heute nur eine Zielgruppe definiert. Meine Empfehlung ist, mit mindestens drei verschiedenen Zielgruppen zu arbeiten und das Recruiting zu individualisieren. Jede Zielgruppe hat eigene Bedürfnisse und braucht eine eigene Ansprache. Die Zielgruppen können auch über unterschiedliche Rekrutierungskanäle erreicht werden.

Rock your recruiting – Martin Gaedt an der Recruiting Convention in Zürich

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Ist Content Recruiting nicht eine aufwendige Form des Recruitings?

Ja, ganz bestimmt. Aber Content Recruiting ist extrem nachhaltig. Wenn Mitarbeitende über diesen Kanal gewonnen werden, dann sind das Personen, die sich mit dem Unternehmen schon im Vorhinein sehr genau beschäftigt haben und es ganz bewusst als Arbeitgeber auswählen.

Glauben Sie, dass es dazu eine bestimmte Firmengrösse braucht oder eignet sich diese Form von Personalbeschaffung auch für KMU?

Auch für KMU lohnt es sich, über Content zu rekrutieren. Gerade diese haben oft spezifische Alleinstellungsmerkmale, die dann für Content Recruiting eingesetzt werden können. Um diese Alleinstellungsmerkmale herauszufinden, lohnt es sich, mit den verschiedenen Fachabteilungen zusprechen.

Was jedoch, wenn ein Unternehmen gerade kein Alleinstellungsmerkmal für Content Recruiting hat?

Jede Organisation macht irgendetwas speziell, sonst könnte es nicht überleben. Und genau über diese Spezialitäten gilt es zu berichten. Ich appelliere an alle, im Recruiting neue Wege zu gehen und es auch mit Content Recruiting zu versuchen.

Welche Rolle spielt für Sie Content Recruiting im Vergleich zu anderen Rekrutierungsmassnahmen?

Es handelt sich um eine Möglichkeit, um als Arbeitgeber mit zielgruppenspezifischem Content die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mein Tipp ist: Jede Recruiting-Aktivität sollte zum Unternehmen passen und soll individuell erarbeitet werden. Dabei ist es besonders wichtig, sich zu überlegen, welche Botschaft gesendet werden soll.

Denken Sie, dass der Bedarf an Content Recruiting in verschiedenen Branchen besonders hoch ist?

Diese Lösung ist für alle diejenigen, die feststellen, dass ihre aktuellen Rekrutierungs-Massnahmen nicht mehr die erwünschten Ergebnisse mit sich bringen. Da können Content Recruiting oder Social Recruiting Lösungen für die Zukunft sein.

In Ihrem Buch «Recruiting Mindset» erörtern Sie, dass sich das HR neu aufstellen muss. Was sind dabei die wichtigsten Punkte?

Man muss sich bewusstwerden, dass es momentan einen Paradigmenwechsel im Recruiting gibt. Der Arbeitgebermarkt hat sich zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Die Recruiting-Aktivitäten sollen sich daran orientieren, dass Recruiting eine Vertriebsaufgabe geworden ist. Basierend daraus ergibt sich eine völlig neue Rollendefinition für das HR und Recruiter. Diese geht von der administrativen Tätigkeit hin zum Markenbotschafter, der Menschen, Teams und Abteilungen zusammenbringt.

Frank Rechsteiner ist Inhaber der Hype Group in München, die auf Executive-Recruiting und Strategieberatung für IT-Unternehmen spezialisiert ist. Ausserdem bietet er Strategie-Workshops und Coachings für KMU in Deutschland an. Mit regelmässigen Umfragen und Studien ermittelt er Trends im IT-Arbeits- und -Bewerbermarkt. Er publiziert laufend Beiträge in Wirtschafts-, IT- und sozialen Medien und schreibt als Autor für renommierte Verlage. Zuletzt ist sein Buch „Recruiting Mindset. Personalgewinnung in Zeiten der Digitalisierung“ bei Haufe erschienen.
Die nächste und somit zehnte Ausgabe der recruitingconvention findet am 22. Sepember 2020 in Zürich statt.