Man kann nicht nicht kommunizieren, sagte schon der Kommunikationswissenschaftler Watzlawick. Das bezieht sich auch auf die Körpersprache der Kandidaten beim Bewerbungsgespräch. Diese Körpersprache soll richtig gelesen und nicht missinterpretiert werden. Dabei gilt es einiges zu beachten.
Erfahrene Personaler versuchen, mögliche Wahrnehmungsfehler im Bewerbungsgespräch so gut wie möglich zu vermeiden. Viele Bewerbende scheitern im Bewerbungsgespräch nicht an den fachlichen Qualifikationen. Die Vorauswahl und damit die Prüfung des Lebenslaufs und der Zeugnisse führen ja erst zur Einladung zu einem ersten Gespräch. Die Bewerbungsunterlagen sind die Eintrittskarte für das Bewerbungsgespräch. Hier werden insbesondere die Fachkompetenzen des Bewerbers überprüfbar dargelegt.
Die wenigsten Interviewer sind jedoch in der Interpretation der Körpersprache ausgebildet. Sie haben vielleicht hier und da einen Kurs besucht oder einen Ratgeber gelesen. Körpersprache wird aber immer noch am meisten missverstanden. Samy Molcho sagte „Der Körper lügt nie!“, und damit brachte er alles, was man über die Körpersprache wissen muss, auf den Punkt.
Kulturellen Hintergrund berücksichtigen
Besonders wichtig bei der Körpersprache sind Sender und Empfänger. In einem Bewerbungsgespräch sind Sie als Interviewer auch Empfänger und werden zwangsläufig interpretieren. Es ist wichtig zu wissen, dass Sprache und Körper eine untrennbare Einheit bilden und auch viel mit dem kulturellen Hintergrund des Bewerbers zu tun haben. Der Körperausdruck entsteht bei den meisten Bewerbenden völlig unbewusst, er wird jedoch vom Verstand gelenkt. Zudem sollte man nie einzelne Bewegungen vorschnell interpretieren oder beurteilen. Der Gestenkomplex kann nur im Gesamtkontext gelesen werden.
In der Schweiz werden regelmässig Bewerbungsgespräche mit Bewerbenden aus anderen kulturellen Hintergründen geführt. Es wäre geradezu fahrlässig, eigene kulturelle Eigenheiten als Massstab für die Interpretation zu nutzen. Werfen wir kurz einen Blick auf die Begrüssung. Während etwa Schweizer, Deutsche und Österreicher sich zur Begrüssung kurz, aber fest die Hände schütteln, so kann ein asiatischer oder arabischer Bewerber die Hand noch eine Weile halten. Bei Japanern ist eine solche Art eher unschicklich, denn sie verbeugen sich zur Begrüssung, und die Person mit dem höchsten Ansehen verbeugt sich am wenigsten. So hat man relativ schnell einen hierarchischen Blick.
Abstandszonen
In der Schweiz spricht man von vier verschiedenen Abstandszonen. Das ist einmal die Intimzone (15-45 Zentimeter, die sich auf die Familie und engen Freunde einschränkt), die persönliche Zone (zwischen 45-120 Zentimeter), bei Firmenfesten und gesellschaftlichen Anlässe eingehalten wird, und dann die gesellschaftliche Zone, welche zwischen 120 und 360 Zentimetern liegt. Diese Entfernung gilt in unseren Breitengraden für Bewerbungsgespräche – ob zur Begrüssung im Stehen oder danach beim Gespräch im Sitzen – als geeignet.
Die öffentliche Zone beizieht sich vor allem auf Vorträge und Präsentationen vor Gruppen. Bewerber aus Indien, Türkei, Frankreich, Italien, Griechenland und Spanien haben hier jedoch ein anderes Distanzverhalten. Ihre Distanzzone ist deutlich geringer. Dieses sollte man nicht falsch beurteilen.
Fragewürde körperliche Signale beim Bewerbungsgespräch
Ich möchte Ihnen diese 3 körpersprachlichen Signale vorstellen, die es sich lohnt zu hinterfragen:
1. Augenreiben
Der Bewerber reibt sich bei gewissen Fragen immer wieder die Augen oder schaut sogar weg? Tatsächlich sagt man, dass Menschen, die sich in gewissen Situationen öfter die Augen reiben, etwas fernhalten wollen.
2. Die Hand bedeckt dauernd den Mund
Der Bewerber sitzt vor ihnen und redet offen. Dabei zeigt er seinen Mund und sie haben das Gefühl, dass das, was er sagt, ehrlich ist. Plötzlich – bei der Beantwortung einer Frage – bedeckt eine Hand den Mund. Ein plötzliches einmaliges Husten überspielt das Ganze. Diese Geste kann auf eine innere Unsicherheit hinweisen.
Tipp: Erforschen Sie erneut mit einer anderen Fragestellung den Sachverhalt und beobachten Sie sein Verhalten. Denken Sie bitte daran: Der Gesamtkontext ist wesentlich.
3. Kragen in Form zupfen
Der Bewerber sagt zu Ihnen: „Damit habe ich keine Probleme“ und zupft genau in diesem Moment seinen Kragen in Form. Fragen Sie nach. Bitten Sie um Konkretisierung und beobachten Sie, ob diese Gestik erneut, vielleicht sogar im Kontext mit anderen fragwürdigen körpersprachlichen Elementen, vorkommt.
Was tun, wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie eine Geste so oder so deuten können? Mein Tipp aus der Praxis lautet wie folgt: Sprechen Sie Ihre Irritationen bei Kandidaten an und hinterfragen Sie freundlich aber deutlich. Die Antwort kann sehr überraschen.
Dazu ein Beispiel: Ich hatte einen Bewerber, der seinen rechten Arm wie eine Mauer während des Gesprächs zwischen mir und ihm ablegte. Es irritierte mich, da er mir sehr offen antwortete. Zum Schluss des Gespräches gab ich ihm ein Feedback: „Danke für das offene Gespräch. Ich erlebte Sie sehr spontan und proaktiv. Was mich jedoch sehr irritierte, war, dass Sie Ihren Arm fast während des ganzen Gesprächs vor sich hielten!“
Er lächelte amüsierte und sagte: „Ich habe mich gestern Abend beim Tennis verletzt, und ich wollte dies überspielen. Gut, dass Sie es ansprechen.“ Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, nicht einfach Annahmen zu treffen, sondern mit konkretisierenden Fragen oder dem direkten Ansprechen Irritationen zu klären.
„Der Körper ist unser grösster Schwätzer“, so lautet ein Zitat des bekanntesten Körpersprach-Experten Samy Molcho. Bedenken Sie: Genau, wie Sie den Bewerber beobachten und interpretieren, wird dieses auch umgekehrt passieren, nur dass der Bewerber selten in der Rolle ist, Irritationen anzusprechen. Daher fragen Sie immer nach einem Feedback zum Bewerbungsgespräch. Damit können auch Sie mögliche falsche Interpretationen aus dem Weg räumen.