Warum Mitarbeitergespräche Bewertungsmonster sind und das Bewerbungsgespräch wie das erste Date vorbereitet werden sollte

Im vierten Teil der Interview-Serie zu seinem Buch «Personalgewinnung mit gesundem Menschenverstand» erklärt Jörg Buckmann, warum Mitarbeitergespräche locker gehalten werden sollten, wie Erlebnisse in Bewerbungsgesprächen geschaffen werden und weshalb in der Digitalisierung im HR nicht auf den digitalen Messias gewartet werden muss.


Warum Mitarbeitergespräche Bewertungsmonster sind und das Bewerbungsgespräch wie das erste Date vorbereitet werden sollte from JobCloud AG on Vimeo.

Feedback ist mittlerweile öffentlich einsehbar, wie du das im letzten Teil über die Chancen bei Firmenbewertungen erwähnt hattest. Im Geschäftsalltag gibt es aber auch ein vertrauliches Feedback – das Mitarbeitergespräch. Üblicherweise wird es im Halbjahres- oder Jahres-Rhythmus abgehalten, aber glaubwürdig und/oder aussagekräftig findest du das nicht wirklich. Was ist die bessere Alternative zu Mitarbeitergesprächen?

Mitarbeitergespräche sind etwas Grossartiges. Punkt. Nicht grossartig finde ich die schulzeugnis-mässige Art, die in den letzten zehn, zwanzig Jahren eingeführt wurde. Ich kenne Unternehmen mit über dreissigseitigen Guidelines für solche Beurteilungen – das sind doch keine Gespräche mehr, sondern Beurteilungsmonster! Bezeichnend finde ich, dass die Vorgesetzten während 364 Tagen den Vorgesetzten die Personalführung zugetraut wird, aber an diesem einen Tag plötzlich nicht mehr. Das ist doch entwürdigend.

Inwiefern entwürdigend?

Im Mitarbeitergespräch wird besprochen, was gut und schlecht war und ein Ausblick auf das nächste Jahr gegeben wird. Das jemanden nicht zuzutrauen ist doch absurd! Ausserdem erinnern mich diese strukturierten Gespräche, in denen die Vorgesetzten die Mitarbeitenden mit einer Zahlen- oder Buchstabenskala bewerten, immer ein bisschen an Schulzeugnisse in der Primarschule, wo man mit Smileys und Sternchen beurteilt wurde. Zudem hoffen die Vorgesetzten meist, dass die Mitarbeitenden nicht nach den Gründen oder Verbesserungsvorschlägen fragen, wenn jemand beispielsweise mit einem C oder 2 in vernetztem Denken beurteilt wurde. Um Himmels Willen, zwei erwachsene Leute werden doch wohl noch ohne Regelmonster auskommen und ohne Schulnoten ein Feedbackgespräch führen können.

Aber häufig ist das Mitarbeitergespräch mit der Lohnerhöhung verknüpft…

Das ist noch schlimmer, wenn der Lohn an dieses Gespräch geknüpft ist. Dann hat man als Mitarbeitende(r) auch grösstes Interesse daran, um die besten Buchstaben und Zahlen der Bewertung zu kämpfen. Völlig zurecht: Das Resultat spürt man schliesslich 365 Tage im Jahr hinten rechts im Portemonnaie.
Meine Meinung ist daher: Ein MAG ist das A&O – aber sicher nicht, wenn es mit Schulnoten verknüpft ist. Fortschrittlich sind jene Unternehmen, die komplett auf Mitarbeitergespräche verzichten – beispielsweise die Zürcher Kantonalbank. Diese Unternehmen legen Wert auf das Gespräch, anstatt Schulnoten zu vergeben.

Vor kurzem ass ein Freund von mir mit einer Freundin zu Mittag. Die normalerweise sehr ruhige Freundin wirkte nervös und angespannt. Als mein Freund fragte, was los sei, antwortete sie, sie habe heute ihr Probezeit-Endgespräch und wisse nicht, ob sie bleiben könne. Sie wisse auch nicht, ob sie überhaupt gute Arbeit leiste. Am Abend rief mein Freund sie nochmal an und fragte, wie es denn gelaufen sei. «Super!», sagte sie aufgeregt, ihr Chef sei mit ihrer Leistung mehr als zufrieden und die Probezeit natürlich bestanden.

Wenn ich solche Geschichten höre, frage ich mich, ob Mitarbeitergespräche mit kürzeren Zeitabständen stattfinden sollten?

Unbedingt! Das ist ein Trend, den man oft der jüngeren Generation zuschreibt. Einfach weil sie keine Lust hat, nur einmal pro Jahr etwas zu hören, sondern durchaus permanente Rückmeldungen erwarten. Das dürfen dann auch Kritik und Verbesserungsvorschläge sein. Jeder Mensch tickt ein bisschen anders; was die eine Person mehr braucht, ist der anderen zu viel. Wichtig ist meiner Meinung nach, dass man spüren kann, woran man bei den Vorgesetzen ist. Genau so erging es mir auch in meiner Laufbahn; ich wusste stets, woran ich bei meinen Vorgesetzten bin – und ich glaube, das ist ideal.

Trotzdem gibt es auch Vorgesetzte, die straffe Prozesse brauchen, weil sie aus Eigenantrieb keine Lust haben oder vergessen, ein Feedbackgespräch zu führen – oder es nicht können. Was macht man mit diesen Führungspersonen?

Da gibt es natürlich viel Theorie zu Führungsentwicklung und Führungsinstrumenten, die ich runterbeten könnte. Die Realität ist aber, dass es gute und weniger gute Führungskräfte gibt. So wie es auch gute und weniger gute Mitarbeitende gibt. Gewisse Dinge lassen sich bestimmt lernen oder mit Vorgaben lösen, etwa indem man Missstände angeht oder solche Gespräche verordnet. Aber das kann ja dann auch nicht die Lösung sein. Ich glaube, als Führungskraft hat man gewisse Dinge/Kompetenzen oder man hat sie nicht. Und wenn sie fehlen, wird es wahrscheinlich schwierig.

Gerade gute Kommunikation ist sehr wichtig bei Führungskräften, schliesslich geht doch nichts über gute Kommunikation. «Nein!», sagst du, denn deiner Meinung nach braucht es nicht nur gute Kommunikation, sondern auch das Gesprächserlebnis – vor allem in Bewerbungsgesprächen. Wie schafft man denn solche Gesprächserlebnisse?

Ein guter Start ist, wenn man sich überlegt, wie man seinen privaten Besuch behandelt. Man tischt das schönste Besteck, kocht nur mit den besten Zutaten, kleidet sich adrett. Man überlegt im Vorfeld, was es zu trinken gibt und was die Personen mögen. So auch beim Bewerbungsgespräch, das ja fast so was wie das erste Date ist. Dementsprechend sollte man das auch gestalten. Man sollte sich mal vor Augen halten, wie ein Gespräch normalerweise abläuft: Als Kandidat kommt man in die Höhle des Löwen, in ungewohnte Umgebung. Man ist nervös, weiss nicht, was einem erwartet, wie das aussieht und schmeckt. Gleichzeitig sitzt man als Kandidat dann auch noch zwei Personen an einem viereckigen Tisch gegenüber, wo klare Fronten herrschen: auf der einen Seite die Unternehmensvertreter und auf der anderen Seite er. Nur schon mit einem ovalen oder runden Tisch könnte man eine ganz andere Konstellation schaffen. Ein anderes Beispiel ist die Getränkeauswahl bei Bewerbungsgesprächen, diesen ersten Dates – warum ist die Auswahl auf Kaffee und/oder Wasser beschränkt? Warum gibt es nicht ein Coci-Light oder einen Saft? Man stelle sich ein Flugzeugtrolley mit verschiedenen Getränken vor und die Personalfachperson fragt den Kandidaten: «Wir haben die volle Auswahl, was hätten Sie gerne?». Solche Details zeigen häufig eine grosse Wirkung. Da sind wir schon fast beim Thema HR heisst verkaufen.

So sind Gesprächserlebnisse relativ einfach zu schaffen. In meinem Buch finden sich auch andere Beispiele. Etwa dass ein Unternehmen den Parkplatz neben dem Haupteingang nicht mit «Reserviert für den CEO» oder mit «Reserviert für den Direktor», sondern mit «Für unsere zukünftigen Mitarbeitenden» angeschrieben hat. Der beste Parkplatz ist für die künftigen Mitarbeitenden reserviert. Das ist nicht nur ein super Start für das Gesprächserlebnis, sondern auch sensationelles Arbeitgeber-Marketing – ohne einen Rappen dafür zu bezahlen. Auch wenn es sich so anhört, als würde ich nur kritisieren, möchte ich doch erwähnen, dass es durchaus viele Unternehmen gibt, die einen super Job machen. Ich erinnere mich an die BLS, einem Bahnunternehmen aus Bern, die ein Sitzungszimmer wie ein Zugabteil gestaltet haben – inklusive Viererabteil und Minibar mit einer guten Kaffeemaschine. Nur schon so was gibt dem Gespräch ein ganz anderes Flair.

Gute Gespräche und gute Erlebnisse – zurück zum Menschen quasi. Zurück geht auch das, was du heute mitgebracht hast…

Genau! Das hier ist das Gerät, mit dem ich wissentlich den ersten Kontakt mit der Digitalisierung hatte. Ich habe es mitgebracht, weil mich die Behauptung ärgert, in der Vergangenheit hätte sich nichts verändert und plötzlich wäre nun alles digital. Für mich ist das, was heute abgeht, eine ganz normale Entwicklung. Ich halte hier ein Gerät der Digitalisierung von 1982 in den Händen, da war ich gerade mal 13 Jahre alt. Mit diesem Gerät habe ich das erste Mal Bekanntschaft mit Donkey Kong, einer affenähnlichen Spielfigur des gleichnamigen Abenteuer-Computergames, gemacht. Mich ärgert es, wenn man behauptet, dass heute alles anders ist. Vor 36 Jahren hat schon meine Mutter gesagt, dass ich doch lieber Fussball spielen gehen sollte, meine Augen würden durch das Donkey Kong Spielen kaputt gehen. Heute sind meine Augen trotz Digitalisierung noch in Ordnung, eine Brille trage ich bis heute nicht. Man sollte Freude an den neuen Möglichkeiten haben. Deshalb plädiere ich auch gegen die Angstmacherei, die wegen der Jobs, die durch die Digitalisierung verschwinden, verbreitet wird. Aber ist das nicht völlig normal? Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal einen Tankwart gesehen habe und Heizer gibt es auch nicht mehr. Nur schon durch die Spinnmaschine im 19. Jahrhundert sind pro Maschine acht Spinner und ein Weber überflüssig geworden. Gerade in der Personalwerbung, wo es darum geht, dass Menschen andere Menschen anstellen und miteinander arbeiten, bleibt es zu unseren Lebzeiten so wie es ist. Wir dürfen unsere Probleme auch in nächster Zeit noch selber lösen und müssen nicht darauf warten, dass der digitale Messias von der Cloud hinuntersteigt und das für uns übernimmt.
 

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