Virtuelle oder künstliche Intelligenz im HR – kommt da noch was?

Zu den spannendsten digitalen Trends im HR-Software-Bereich gehören künstliche und virtuelle Intelligenz. Doch welche Anwendungen kommen im HR tatsächlich schon zum Einsatz und wie können diese das Recruiting, die Mitarbeiterentwicklung und Talentförderung verändern? Wir haben Chatbots und Co. unter die Lupe genommen.
Ein Gastbeitrag von Dennis Teichmann von Jacando
Bevor wir uns den einzelnen Anwendungen widmen, sollten wir zuerst den Unterschied zwischen virtueller Intelligenz (VI) und künstlicher Intelligenz (KI) erörtern. Dieser ist simpel: Eine virtuelle Intelligenz (VI) ist ein Computerprogramm, welches Dinge autonom regeln kann, wie etwa die Navigation in Google Maps oder das Aufzeichnen eines Schrittzählers. Im Unterschied zu einer künstlichen Intelligenz (KI) ist sie allerdings nicht lernfähig und kann nur Befehle ausführen, auf die sie programmiert wurde. So kann sie uns etwa nicht auf Fehler aufmerksam machen.
Die KI (oder artificial intelligence – AI) hingegen imitiert menschliches Verhalten und kann selbständig denken oder lernen – Beispiele sind das Erkennen von Gesichtsausdrücken oder von geschriebener und gesprochener Sprache.

Von Chatbots und AI Bots

Chatbots gehören grundsätzlich zur Kategorie der virtuellen Intelligenz. Sie reagieren «lediglich» auf festgelegte Keywords oder vorgefertigte Phrasen, um darauf die passenden Antworten zu geben. Sie werden deshalb auch ‘ruled based Bots’ genannt und können «nur» lineare/eindimensionale Aufgaben zufriedenstellend erledigen. Erweitert man sie jedoch mit KI, sind die Möglichkeiten schier endlos. Mehr dazu später.
AI Bots gehen noch einen Schritt weiter: Das Herzstück eines AI Bots bildet die Natural Language Processing Unit (Deutsch: Einheit zur maschinellen Verarbeitung natürlicher Sprache). Wie der Name vermuten lässt, sorgt dieses Feature für ein besseres Sprachverständnis des maschinellen Gegenübers. Vergleicht man einmal die sprachlichen (Aufnahme-)Fähigkeiten des Urgesteins aller Chatbots «Eliza» mit denen eines modernen Sprachassistenten wie Apples Siri oder Googles Assistant, fallen der Unterschied und die grössere «Intelligenz» schnell auf. Darüber hinaus können Anwendungen, die sich die künstliche Intelligenz zu Nutze machen, weiter dazulernen.

VI-Bots im Recruiting

Welche Rolle spielen diese zwei Bots nun für das Personalmanagement? Von einem vollumfänglichen Bewerbungsgespräch mit einem Roboter sind wir nach wie vor weit entfernt. Aber im Recruiting verrichten Chatbots bereits ihren Dienst. Auf Karriereseiten beantworten sie Talenten zum Beispiel automatisiert Fragen über offene Stellen, Karrieremöglichkeiten oder über das Unternehmen. Eine Bereitschaftszeit rund um die Uhr und dabei kostengünstige Arbeit (sobald einmal implementiert) verspricht eine sinnvolle Verbesserung der Candidate und Employee Experience. Auch der Messengerdienst WhatsApp wird für Personalverantwortliche immer interessanter. Die Nutzung findet auf vielfältige Art und Weise statt: Employee-Branding (durch virtuellen Schnuppertag im Unternehmen) à la Basler Versicherungen oder die gezielte Jobsuche (über einen Chatbot) bei Xing.
Bisher wurden die einfachen Chatbots nur begrenzt im Human Ressources Management eingesetzt: Gerade 3,3 Prozent der Top-1.000-Unternehmen bieten laut der Studie Recruiting Trends der Universität Bamberg einen solchen digitalen Assistenten an. Das könnte sich jedoch ändern. Richtig interessant dürfte das Thema Chatbot für Unternehmen werden, wenn nach der ersten Generation der eher einfach strukturierten Chatbots die nächste zum Einsatz kommt, die durch maschinelles Lernen und Zugriff auf Big Data die volle Kraft der künstlichen Intelligenz nutzt.

AI Bots auf dem Vormarsch

Zwar befinden sich die entsprechenden Technologien noch im Entwicklungsstadium, aber lernfähige Chatbots sind auf dem Vormarsch. Seit Jahren feilt Computergigant IBM an seinem kognitiven System „Watson“. Dessen künstliche Intelligenz ist darauf ausgelegt, zu verstehen, Schlüsse zu ziehen und zu lernen. Dafür extrahiert Watson Wissen aus strukturierten und unstrukturierten Informationen aus Datenbanken oder dem Internet, kombiniert und analysiert diese.

HR-Chatbot next level

Ein mit Watson verknüpfter HR-Chatbot wäre von einem völlig anderen Kaliber als die virtuellen Kollegen, die bereits auf dem Markt sind. Nicht nur Prozesse, Märkte oder der Zustand von Maschinen liessen sich im Detail analysieren – auch die Eignung von Mitarbeitenden könnte in Zukunft von diesen Systemen beurteilt werden. HR-Verantwortliche könnten ihn beispielsweise fragen: „Würde dieser Bewerber in unser Team passen?“ Oder: „Hat dieser Bewerber die Persönlichkeit für einen Führungsjob?“ Watson wäre dann auf Basis bestimmter Personal- und Social-Media-Daten in der Lage, psychologische Charaktermerkmale zu identifizieren, die in die Entscheidungen mit einfliessen können.

Personalmanagement 4.0: Viele Fragen offen

Bis sich diese Art des Personalmanagements durchsetzt hat, dürfte noch viel Zeit ins Land ziehen. Noch sind zu viele Fragen offen: Was passiert zum Beispiel, wenn die Interpretation und Vernetzung von Daten zwar vollautomatisch passiert, der Algorithmus aber Fehler aufweist und niemand ihn bemerkt? Oder was, wenn Hacker das System umprogrammieren, damit das Bot bewusst die Bewerbenden, die am besten passen, aussortiert? Die Bedenken, die den Anwendungen gegenüberstehen, sind oftmals gross. CEO und Gründer der HR Tech World in Amsterdam, Marc Coleman, versteht das, rät aber gleichzeitig zu einer gewissen Offenheit: „Neue Technologien bringen massive gesellschaftliche Veränderungen mit sich. Aber vielleicht fokussieren wir manchmal zu stark auf die Risiken und zu wenig auf die positiven Auswirkungen dieser Veränderungen“, sagte er gegenüber hrtoday. „Menschen, Gesellschaften und Organisationen haben in der Vergangenheit Veränderungen bereits erfolgreich gemeistert und gelernt, diese zu ihrem Vorteil zu nutzen. Wir sollten aus der Vergangenheit lernen. So können wir eine bessere Zukunft schaffen.“
Wir dürfen gespannt sein, wie schnell sich Chatbots und Systeme künstlicher Intelligenz für Aufgaben des Personalmanagements qualifizieren werden und inwieweit sie sich schliesslich durchsetzen können. Vorerst verbleiben WhatsApp und Co. als «‘HR-Werkzeuge» allerdings grösstenteils im virtuellen Land.
Dennis TeichmannDennis Teichmann ist Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer der jacando AG. Sein grosses Interesse gilt den Themen der digitalen Transformation von Unternehmen und Digitalisierung in den Bereichen Human Resources, Medien und Cloud Technologien. Er hat jacando in 2013 zunächst als Online-Plattform zur Vermittlung von Microjobs aufgebaut und dann zu einem führenden HR Cloud Technologie Unternehmen weiterentwickelt.

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