Noch immer ist es so, dass nicht nur die Qualitäten und Qualifikationen einer Kandidatin ausschlaggebend für den Lohn sind, sondern auch der Ausgang bei der Lohnverhandlung. Nicht so beim Online-Magazin Republik, denn dort verdienen alle gleichviel – was auch Lohntransparenz zur Folge hat. Wie sich das auf den Arbeitsalltag auswirkt und inwiefern das beim Recruiting eine Rolle spielt, erzählt uns Geschäftsführerin Susanne Sugimoto im Interview.
Stimmt es, dass bei der Republik alle – egal ob Redaktor oder CEO – gleich viel, nämlich CHF 8’000.- pro Monat, verdienen?
Das stimmt nicht ganz. Der Nettolohn ist zwar bei allen gleich, aber weil je nach Alter der BVK-Beitrag unterschiedlich hoch ist, weichen die Bruttolöhne voneinander ab. Entsprechend rechnen wir die Altersgutschriften der Pensionskasse auf den Nettolohn der Mitarbeitenden auf. Deshalb ist der Bruttolohn eines 50-jährigen Mitarbeitenden auch höher als von einem 30-jährigen – netto verdienen aber alle gleichviel. Einzig Mitarbeitende, die Kinder haben, bekommen einen Zustupf.
«So viel verdienst du» – und dann heisst es take it or leave it. Ob Mann, Frau, jung oder alt – das spielt alles keine Rolle mehr.
Wie kam der Betrag vom Einheitslohn zustande?
Die meisten der MitgründerInnen waren zur Gründungszeit in einem anderen Job tätig, also haben wir uns gefragt, welche Bedingungen – auch bezüglich Lohn – erfüllt werden müssen, um unsere Jobs an den Nagel zu hängen. Da war viel Gefühl mit dabei, viele Workshops, wo wir diskutierten, welcher Lohn angemessen ist, um qualifizierte Leute zu beschäftigen. Uns war aber auch von Anfang an wichtig, dass man bei uns den Start-up-Groove mitbringt und bei den Lohnvorstellungen flexibel bleibt. Beispielsweise beschäftigen wir auch Informatiker, die deutlich mehr verdienen könnten, aber auf den höheren Lohn verzichten, weil eine gute Arbeitsatmosphäre herrscht.
Schreckt das die Kandidaten nicht ab?
Das ist das Gute während der Startphase eines Start-Ups: Man muss mit niemanden über den Lohn diskutieren. Denn bei einer Bewerbung kann man ganz transparent sein und sagen: «So viel verdienst du» – und dann heisst es take it or leave it. Ob Mann, Frau, jung oder alt – das spielt alles keine Rolle mehr. Ausserdem geht es bei uns um den Sinn und die Sache und nicht nur um den Lohn.
Bezahlt ihr auch Berufseinsteigern den Einheitslohn?
Natürlich muss man als Firma mit Einheitslohn auch immer den Markt im Blick behalten. Wenn man beispielsweise jemanden direkt ab Lehre im HR für CHF 8’000.- einstellt, zerstört man den Markt. Deshalb haben wir entschieden, nur qualifizierte Leute einzustellen. Dann ist auch der Lohn gerechtfertigt. Wer noch ausgebildet werden muss, verdient bei uns CHF 4’000.-.
Es gibt ganz verschiedene Faktoren, die Mitarbeitende am Arbeitsplatz glücklich machen – das muss nicht nur der Lohn sein.
Wie kann ich mir das jährliche Lohngespräch bei euch vorstellen? Gibt es das überhaupt?
Wir haben zwar ganz normale HR-Prozesse, aber jährliche Lohngespräche gibt es keine bei uns – vor allem, weil wir ein Start-up sind. Wir finden auch, dass es ganz verschiedene Faktoren gibt, die Mitarbeitende am Arbeitsplatz glücklich machen – das muss nicht nur der Lohn sein. Und wenn jemand findet, dass sein Lohn zu wenig für die gebotene Leistung ist, dann besprechen wir das selbstverständlich gemeinsam und schauen, wie wir uns abseits vom Lohn finden können. Wenn jemand beispielsweise ein Projekt noch bis spät in die Nacht fertigstellt, dann muss man vielleicht auch einfach mal unkonventionell sagen: «Komm, nimm dir eine Woche Ferien!».
Du hast davor auch schon im HR-Bereich gearbeitet. Bewirkt die Lohntransparenz einen Unterschied bei den Bewerbungen?
Das kann ich nicht wirklich beantworten, weil wir so schnell gewachsen sind. Wir haben auch wenige klassische Bewerbungsprozesse. Unser Einheitslohn und Lohntransparenz machen den Bewerbungsprozess aber bestimmt einfacher, weil die gesamte Lohndiskussion, dieser sogenannte Lohnpoker, wegfällt.
Und was hält Jörg Buckmann vom Lohnpoker?
Ist der transparente Einheitslohn ein Anreiz für Kandidaten oder eher unattraktiv, weil sie in Lohnverhandlungen nicht noch mehr rausschlagen könnten?
Ich denke, das kommt, immer auf die Branche und die einzelnen Kandidaten an. Beispielsweise ist unser Einheitslohn für Berufseinsteiger in einer Assistenz-Stelle sehr hoch und daher ein Anreiz. Aber für gestandene Journalisten zwischen 45 und 60 Jahren ist dieser eher wenig – auch wenn man bedenkt, dass CHF 8’000.- über dem Schweizer Durchschnitt liegen. Aber man kann sich als Firma auch anderweitig attraktiv positionieren. Beispielsweise mit der Gestaltung der Arbeitszeit – wenn jemand am Vorabend viel gearbeitet hat und dann am nächsten Tag später zur Arbeit erscheint, ohne komische Blicke zu kassieren.
Bei euch verdienen alle gleich viel – was passiert aber, wenn jemand in der genau gleichen Position wie der Arbeitskollege eine bessere Leistung bringt und deshalb einen höheren Lohn fordert?
Wo Menschen sind, vergleicht man sich. Menschen haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was Leistung und Qualität sind. Geld ist etwas sehr Emotionales und der Bezug zum Geld ist für jeden Menschen sehr individuell – etwa so individuell, wie der Bezug zur Liebe. Natürlich stellt sich die Frage, ob diejenigen, die die Nacht durcharbeiten oder die Geschäftsleitungsmitglieder, die mehr Verantwortung tragen, im Verhältnis weniger verdienen als diejenigen mit normalen Arbeitszeiten oder weniger Verantwortlichkeiten. Aber klar, das sind Themen, die man bei Unstimmigkeiten ansprechen muss – obgleich es diese Diskussion bei uns noch nicht gegeben hat.