Wer fragt, der führt. Dieses alte Sprichwort gilt auch und besonders im Recruiting. Grundsätzlich hat jede Frageform in einem Interview seine Berechtigung. Jedoch sollte nicht nur eine Frageform das Gespräch dominieren. Schauen wir uns deshalb die besten Interviewtechniken genauer an.
Nehmen wir an, Sie wollen in Erfahrung bringen, ob der Bewerber, der sich als Verkaufskoordinator beworben hat, die wunderbare Eigenschaft der Flexibilität hat. Wie machen Sie das am besten? Eine gewinnbringende Kommunikation in einem Rekrutierungsgespräch hat viele Vorteile. Antworten werden gehaltvoller, da echte Emotionen und Sachinformationen abgeholt werden. Die Qualität der Antwort wird immer von der Frage gesteuert.
Ungeeignete Interviewtechniken und Frageformen in Bewerbungsgesprächen
Eine geschlossene Frage, wie „Sind sie flexibel?“ würde mit einem Ja oder Nein beantwortet werden und hätte für Sie keinerlei Gehalt. Natürlich sind solche Rekrutierungsfragen nützlich, wenn wir eine klare Stellungnahme vom Bewerber erhalten wollen. Leider ermuntern sie nicht dazu, dass sich der Bewerber ausführlich äussert. Vor allem wenn wir davon ausgehen, dass sich die meisten Bewerber sowieso für flexibel halten.
Die geschlossene Frage ist daher nahezu ungeeignet um ein gutes Interview in der Rekrutierung zu führen. Zumindest, wenn es um die Eigenschaft eines Bewerbers geht. Sie erkennen die geschlossene Frage zumeist durch Anfänge wie: Haben Sie? Legen Sie Wert auf? Sehen Sie eine Möglichkeit, dass…?
Die Frage: „Beschreiben Sie sich eher als flexibel oder als unflexibel?“ ist eine ebenso ungeeignete Frageform. Diese Alternativfrage impliziert mit der richtigen Betonung sogar die gewünschte Antwort.
Geeignete Frageform und damit gute Interviewtechniken
Die offenen W-Fragen sind in Interviewtechniken am erfolgreichsten. Als Beispiel möchte ich folgende Fragen anführen:
Wie flexibel waren Sie in der Vergangenheit? Was verstehen Sie unter Flexibilität? Wann sind Sie besonders flexibel? Wie beschreiben Sie selbst die Fähigkeit Flexibilität? Wer war ihr flexibelster Kunde und warum?
Wie interviewen Rekrutierungsprofis?
Headhunter, Stellenvermittler oder auch Personalverantwortliche, die Gespräche dieser Art sehr oft führen, versuchen das offene Gespräch mit dem Bewerber zu finden. Bewährt hat sich dabei ein 4-Schritte-Modell.
Interviewtechnik – Schritt Nummer 1:
Stellen Sie eine Frage, die einen direkten Bezug zur Arbeitsvergangenheit des Bewerbers hat. Sie wollen also herausfinden, ob der interviewte Gesprächspartner flexibel ist.
„Erinnern Sie sich bitte an eine Arbeitssituation, in der Sie flexibel waren?“
Bei dieser Frage ist es wichtig, die Vergangenheit abzufragen. Hypothetische Fragen wie: „Stellen Sie sich folgende Situation vor…“ oder „Wie würden Sie in diesem geschilderten Fall zeigen, dass sie flexibel sind?“ sind ungeeignet. Bewerber können bei Fragen, die in der Zukunft liegen, fabulieren. Sie benötigen jedoch die Schilderung einer tatsächlichen Situation, damit Sie die nächsten drei Schritte abfragen können.
Anmerkung: Diese erste Antwort des Befragten gibt Ihnen bereits einen erweiterten Einblick in das Arbeitsleben des Bewerbers.
Interviewtechnik – Schritt Nummer 2:
Schliessen Sie nun mit der Verhaltensfrage an: „Wie haben Sie sich in der soeben von ihnen geschilderten Situation verhalten?“ Hier sollte unbedingt das Verhalten zu der geschilderten Situation erfragt werden. Warum ist das so wichtig? Hier erleben Sie 1 zu 1 die Reaktion des Bewerbers auf die erlebte Situation.
Anmerkung: Sollte der Bewerber hier ausweichen und mit Generalisierungen antworten, bleiben Sie hartnäckig. Wiederholen Sie Ihre Frage und pochen Sie freundlich, aber bestimmt auf eine vergangene Situation.
Tipp: Erinnern Sie den Bewerber, dass es um die Schilderung einer einzigen konkreten Situation geht. Antworten wie: „Ach – das kam öfters vor. Meist habe ich dann…“ gehören zu Verallgemeinerungen und können nicht zur Beurteilung herangezogen werden.
Interviewtechnik – Schritt Nummer 3:
Die vorletzte Frage, die hier immer noch zur Überprüfung der Fähigkeit „Flexibilität“ gehört, betrifft nun das Ergebnis. Sie kann so aussehen: „Sie haben mir die Situation und Ihr Verhalten beschrieben. Danke! Nun interessiert mich aber auch das Ergebnis. Wie war das Resultat Ihres Vorgehens?“
Nun sollte der Bewerber Ihnen idealerweise beschreiben, wie erfolgreich sein Verhalten in der geschilderten Situation war.
Anmerkung: Auch die weniger erfolgreiche Ergebniserreichung kann durchaus einen positiven Rückschluss auf den Bewerber geben. Er zeigt hier seine Reflektionsfähigkeit und kann dadurch punkten.
Interviewtechnik – Schritt Nummer 4:
Ein wesentlicher Schritt dieser Interviewtechnik folgt nun: Fragen Sie den Bewerber, welche Lehren er aus diesem Vorgehen für sich gezogen hat.
Die Frage könnte z.B. so gestellt werden: „Was haben Sie aus dieser Situation gelernt? Sollte eine solche Situation nochmals passieren, was würden Sie dann anders machen?“
Mit diesen 4 Schritten erhalten Sie eine nachvollziehbare, überprüfbare Antwort zum Thema Flexibilität. Sie können rasch aussagekräftige Informationen über den Bewerber sammeln. Dazu wird noch eine situative Einschätzung der Ausgangslage möglich. Die Resultate dieser Interviewtechnik sind nachvollziehbar sowie mess- und fassbar.
Die Antwort des Bewerbers zeigt seine gelebte Vorgehensweise auf. Sie als Interviewer locken ihn mit dieser Fragetechnik aus der Reserve. Damit eröffnet sich auch die Möglichkeit eines lebendigen Dialogs. Durch Ihre konkretisierenden Fragen kommt es in Ihrem Recruitment Process seltener vor, dass der Bewerber sich hinter Ausflüchten versteckt oder mit Verallgemeinerungen antwortet.
Interviewtechniken, die Bewerber persönlich weiterbringen
Aber auch für den Bewerber hat es grosse Vorteile, wenn sein Gegenüber ihn professionell befragt. Ihm gelingt damit eine objektive Darstellung der Situation. Seine Erläuterungen zum gewählten Vorgehen werden dadurch klar. Und erlebte Situationen zu erzählen, birgt die echte Möglichkeit zu einem Austausch Augenhöhe. Das grosse Zusatzplus dieser Interviewtechnik ist, dass eine Selbstreflektion des eigenen Verhaltens für den Bewerber möglich ist. Dieses trägt zur persönlichen Weiterentwicklung bei. Sie hilft Ihnen, nähere Informationen zu einer bestimmten Verhaltensweise und damit einer Eigenschaft zu erfahren. Die herkömmlichen Fragepaletten reichen dazu nicht aus, denn das Verhalten, welches sich immer auf eine bestimmte Situation bezieht, kann subjektiv gefärbt sein.
Berücksichtigen Sie zusammenfassend also diese 4 Schritte in Ihrem nächsten Bewerbungsgespräch:
- Erfragen einer konkreten, vergangenheitsbezogenen Situation
- Nachfrage zu dem konkreten Vorgehen/Verhalten
- Überprüfen des Resultats durch eine vertiefte Frage
- Abholen der persönlichen Schlussfolgerung des Bewerbers mit seiner persönlichen Selbstreflektion
Schon Euripides, der griechische Dichter sagte „Frag nur vernünftig und Du hörst Vernünftiges.“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg!