Chronobiologie – nach dem natürlichen Rhythmus des Körpers arbeiten

Durchschnittlich 41 Stunden arbeiten Beschäftigte in der Schweiz pro Woche. Damit hat die Schweiz eine der längsten Arbeitszeiten der westlichen Industrienationen. Überzeitarbeit lässt die wöchentlich geleisteten Arbeitsstunden schnell auf 50 Stunden anwachsen. Dazu kommt der Bedarf nach immer flexibleren Mitarbeitenden, die auch in der Nacht sowie an Wochenenden und Feiertagen tätig sind – beispielsweise, weil technische oder wirtschaftliche Notwendigkeit besteht. Doch wie viel Arbeit ist gesund bzw. zumutbar?

Stress ist ein verbreitetes Problem

Studien wie der Job-Stress-Index zeigen, dass 25,4% der 4,9 Millionen Erwerbstätigen in der Schweiz unter starkem Stress und erheblicher Erschöpfung leiden. Das betrifft hochgerechnet immerhin rund 1,2 Millionen Mitarbeitende. Weitere 2,2 Millionen Erwerbstätige befinden sich mit ihrer Leistungsfähigkeit im sensiblen Bereich. Das bedeutet, dass rund 46.3% der Mitarbeitenden leicht in die Stressbelastung rutschen könnten. Lediglich 28,3% der Erwerbstätigen leiden nicht unter Stress und Erschöpfung im Beruf. Beides mindert die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden und führt auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen. Die hohe Zahl der Betroffenen zeigt unter anderem, dass die Norm-Arbeitszeit in der Schweiz für viele Mitarbeitende nicht das ideale Mass darstellt.

Die ideale Arbeitszeit für den Körper

Wissenschaftler kennen drei unterschiedliche Chronotypen: Die häufigste Variante ist der Normaltyp, der meist zwischen 07:00 und 08:00 Uhr ideal in den Tag startet und zwischen 23:00 und 00:00 Uhr schlafen geht. An zweiter Stelle stehen die sogenannten „Eulen“. Ihr natürlicher Biorhythmus ist nach hinten verschoben. Am Morgen kommen sie nur schwer aus den Federn, am Abend dagegen werden sie geradezu aktiv. Die seltenste Form repräsentieren die „Lerchen“. Sie stehen sehr früh gut ausgeschlafen auf, dafür setzt ihr Schlafbedürfnis früher am Abend ein. Der persönliche Chronotyp ist genetisch festgelegt, allerdings verändert sich die Verteilung der Leistungsfähigkeit meistens im Verlaufe des Lebens. Kleinkinder gehören fast immer zu den „Lerchen“, Teenager erleben oft eine Phase als „Eule“. Dann folgt eine lange Phase des genetisch geprägten Typs. Die ideale Arbeitszeit sollte daher die Chronobiologie der Mitarbeitenden berücksichtigen, denn meistens beherrscht der genetische Chronotyp das gesamte Arbeitsleben die tägliche Leistungskurve.

Die Stärken im Tagesverlauf nutzen

Gewöhnliche Arbeitszeiten richten sich in erster Linie nach technischen oder wirtschaftlichen Erfordernissen. Selbstverständlich kann nicht jede Arbeitszeit einfach an den Chronotyp der Mitarbeitenden angepasst werden. Aber oft ist es möglich, mit kleinen Veränderungen im Tagesablauf die entsprechende Tagesform ideal zu nutzen. Das fördert die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit der Mitarbeitenden und hilft zu senken. Die tägliche Leistungskurve Unternehmen, Kosten für Ausfallzeiten für viele Normaltypen sieht gemäss Studien von Zulley/Knab so aus:

  • 07:00 bis 08:00Uhr: Der Körper liefert Energie für den Tag. Es ist Zeit, aufzustehen.
  • 10:00 bis 11:00 Uhr: Konzentrationsfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis und Kreativität sind besonders hoch.
  • 11:00 bis 12:00 Uhr: Ein Tageshoch ist erreicht. Jetzt sehen und rechnen Mitarbeitende besonders gut.
  • 12:00 bis 13:00 Uhr: Die Leistungsbereitschaft sinkt, das Mittagsessen ist nun empfehlenswert.
  • 13:00 bis 14:00 Uhr: Ein Tagestief stellt sich ein, der Körper sehnt sich nach Ruhe.
  • 14:00 bis 15:00 Uhr: Ein kurzer Mittagsschlaf wäre jetzt ideal. Da Mitarbeitende das kaum realisieren können, bietet sich eine kurze Pause oder ein Spaziergang an.
  • 15:00 bis 16:00 Uhr: Ein Tageshoch zeichnet sich ab, jetzt punktet das Langzeitgedächtnis mit besonderer Leistungsfähigkeit.
  • 17:00 bis 18:00 Uhr: Der Körper ist gut durchblutet und in Hochform, Sport oder körperlich anstrengende Arbeiten bieten sich an.
  • 18:00 bis 19:00 Uhr: Zeit für Entspannung und einen Tagesrückblick.

Diese Werte gelten nicht für „Eulen“ und „Lerchen“ und auch Mitarbeitende des Normaltyps können andere Erfahrungen machen. Bei „Eulen“ und „Lerchen“ ist das oben gezeigte Schema häufig um einige Stunden nach vorn oder hinten verschoben. Trotzdem lassen sich diese Erkenntnisse nutzen, um gewöhnliche Arbeitszeiten zu idealen Arbeitszeiten umzufunktionieren. Folgende Tipps können Mitarbeitende und Vorgesetzte in der Regel leicht umsetzen:

  • Es ist empfehlenswert, anfallende Tätigkeiten zu Arbeitsbeginn nach Dringlichkeit und Art der Arbeit zu sortieren und einen Tagesplan zu erstellen.
  • Geistig anspruchsvolle Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration erfordern, fallen den meisten vormittags und nachmittags, nach dem zwischenzeitlichen Tiefpunkten, besonders leicht.
  • Teilen Sie eine konzentrierte Arbeitsphase möglichst in 75 Minuten Arbeit und 15 Minuten Pause ein.
  • Leichtere Tätigkeiten wie kurze Telefonate oder einfache Besprechungen können in das Tief zur Mittagszeit und am frühen Nachmittag gelegt werden.
  • Regelmässige Mittagspausen mit einer leichten Mahlzeit und einer anschliessenden ca. 20-minütigen Erholungsphase fördern die Leistungsfähigkeit und Gesundheit.
  • Versuchen Sie, auf Ihren Körper zu hören und und übertreiben Sie es nicht mir dem Koffein.
  • Vermeiden Sie so gut wie möglich überlange einseitige Arbeiten wie eine Tätigkeit vor dem Bildschirm. Andere Tätigkeiten zwischendurch und kurze Pausen verbessern die Konzentrationsfähigkeit.
  • Erholung ist wichtig. Versuchen Sie, Freizeitstress zu vermeiden.

Schicht- und Nachtarbeit – oft unvermeidbar

Die gewöhnliche Arbeitszeit von 40 bis 42 Stunden pro Woche ist für viele Mitarbeitende durchaus die ideale Arbeitszeit. Wenn Arbeitsrhythmus und Arbeitsumfeld stimmen, ist dieses Arbeitspensum der Gesundheit nicht abträglich. Anders sieht es bei Schicht- und erst recht bei Nachtarbeit aus. Ständig wechselnde Arbeitszeiten belasten den Körper stark, Nachtarbeit kann auf Dauer sogar krank machen. Die WHO stuft Nachtarbeit sogar als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Studien zeigen, dass Krankenpflegerinnen, die über 30 Jahre Nachtdienste verrichten, unter einem rund 50% erhöhten Risiko für Brustkrebs zu rechnen haben. Wie lange der Körper Nachtarbeit verträgt, ist sehr unterschiedlich. Einige Mitarbeitende spüren bereits nach fünf Jahren Probleme, andere erst nach Jahrzehnten. Fast alle jedoch kennen das extreme Tief zwischen 02:00 und 04:00 Uhr in der Nacht, das oftmals zu Sekundenschlaf führt. Hinzu kommen Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, zitternde Hände, Übergewicht oder chronische Müdigkeit. Doch auch in Schichten tätige Mitarbeitende können viel für sich tun:

  • Das Verdauungssystem ist in der Nacht auf Ruhe eingestellt. Daher ist die Einhaltung der Hauptmahlzeiten am Mittag und Abend empfehlenswert. Während der Schicht unterstützt leichte Kost den auf Nachtruhe eingestellten Körper.
  • Kaffee entfaltet erst nach Stunden seine volle Wirkung. Daher kann der Genuss vor der Schicht ein echter Muntermacher sein. Wird er während der Schicht getrunken, stört er später den Schlaf.
  • Regelmässige Schlafenszeiten unterstützen den Körper, ebenso wie ein abgedunkeltes Schlafzimmer und ungestörte Ruhe. Handy, Klingel und Festnetztelefon auszuschalten ist sehr empfehlenswert.
  • Gesund leben, auf ausreichende Bewegung und eine ausgewogene Ernährung achten.
  • Schichtarbeit sollte möglichst nicht das ganze Berufsleben lang ausgeübt werden.
  • Ausreichend freie Tage zwischen den Schichten ermöglichen dem Körper die nötige Regeneration.

 
(Bild: Fotolia, ave_mario)

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