Die Arbeitszeiterfassung und ein Beispiel für die Umsetzung

Da sich die Arbeitswelt durch neue und flexiblere Arbeitszeitmodelle stark entwickelt hat, wurde die Verordnung zur Arbeitszeiterfassung angepasst. Seit dem 1. Januar 2016 ist die Kompromisslösung zwischen Arbeitgeber, Gewerkschaften und dem eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung in Kraft. Sie soll sowohl die zeitliche als auch die örtliche Flexibilität im heutigen Arbeitsalltag berücksichtigen.
arbeitszeiterfassung-comic

Was soll mit der Arbeitszeiterfassung erreicht werden?

Heutzutage, wo Mitarbeitende bereits auf dem Weg zur Arbeit die Mailbox öffnen und manchmal erst kurz vor dem Schlafengehen wieder schliessen, sieht das Bundesamt für Arbeit vor allem den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden an erster Stelle, da die Einhaltung der Ruhezeiten eine wichtige Rolle für die physische und psychische Gesundheit spielt. Diese Ruhezeiten sollen durch die Dokumentationspflicht der Arbeitszeit besser eingehalten werden können.

Welche Regelungen gibt es?

Grundsätzlich gibt es für Arbeitgebende drei unterschiedliche gesetzliche Regelungen, die je nach Rahmenbedingung besser passen.

  1. Standard

Anfang und Ende jeder Arbeitsphase und Pausen – auch für Kaffee oder Zigaretten – müssen dokumentiert werden. Diese Regelung gilt für alle Arbeitnehmenden, bei denen eine gewisse Autonomie nicht vorhanden ist und wenn die Voraussetzungen für eine andere Regelung nicht gegeben sind.

  1. Vereinfachte Erfassung

Diese beschränkt sich nur auf die Gesamtzahl, also einen einzelnen Wert pro Tag, der geleisteten Arbeitsstunden. Für diese Möglichkeit muss der Arbeitnehmende bereits ein erhöhtes Mass an Autonomie besitzen und einen namhaften Teil seiner Arbeitsstunden selbst festlegen können.

  1. Verzicht

Wenn ein Arbeitnehmender mehr als CHF 120’000 Jahreseinkommen verdient, grosse Autonomie bei der Arbeits- und Arbeitszeitgestaltung vorhanden ist plus eine individuelle Zustimmung unterschrieben hat, kann er auf die Arbeitszeiterfassung verzichten.

Vereinfachte Arbeitszeiterfassung für Betriebe mit weniger als 50 Mitarbeitenden

Für kleinere Betriebe mit weniger als 50 Angestellten kann eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung durchgeführt werden. Dazu müssen lediglich individuelle Vereinbarungen mit den jeweiligen Arbeitnehmern getroffen werden.
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Doch wie sieht diese Arbeitszeiterfassung in der Praxis aus? Wir haben in unserem HR nachgefragt. Tanja Vollenweider, Leiterin HR der JobCloud AG, erzählt im Interview, wie die Arbeitszeiterfassung umgesetzt wurde und welche Hürden sie mit ihrem Team meistern musste.
 
 
 
Benjamin Seiler: Tanja, die Meinungen über die neue Regelung der Arbeitszeiterfassung sind gespalten – welche Erfahrungen hast du beim Start dieses neuen Prozesses gemacht?
Tanja Vollenweider: Wir haben seitens der Arbeitsinspektion die Auflage erhalten, eine Arbeitszeiterfassung per 2017 einzuführen. Das HR-Team selber war beim Erhalt dieser Auflage eher kritisch eingestellt. Wir fanden einfach, es passt so gar nicht zu unserer Firmenkultur. Aber je länger wir uns damit befassten, umso mehr haben uns die Vorzüge eines solchen Systems überzeugt – so konnten wir die Arbeitszeiterfassung auch gegenüber der Geschäftsleitung und unseren Mitarbeitenden gut vertreten. Wir haben uns schnell dafür entschieden, dass sämtliche Mitarbeitende – die Geschäftsleitung ausgeschlossen – ihre Arbeitszeiten erfassen werden. Trotzdem war es uns wichtig, dass unsere Mitarbeitenden weiterhin genügend Raum für Ausgleich haben und diese Massnahme nicht als Kontrolle empfinden.
Zusätzlich galt es, für 180 Mitarbeitende ein einfach bedienbares System für das Zeitreglement einzuführen. Ich denke, diese Herausforderung haben wir mit der Smartphone-App gut gemeistert.
 
Warum braucht es eine Arbeitszeiterfassung?
 In einer Zeit, in der vieles mobil abläuft und der Übergang zwischen Freizeit und Arbeit fliessend geworden ist, braucht es Schutzmechanismen für die Arbeitnehmenden. Betroffen sind in erster Linie diejenigen, die viel mehr leisten, als von ihnen erwartet wird. Die Einführung eines Zeiterfassungssystems hilft den Führungskräften, mit Fakten das Gespräch mit dem Mitarbeitenden aufzunehmen. Es ist im Interesse jedes Arbeitgebers, gesunde Mitarbeitende zu haben, die genügend Ausgleich zum Job haben.
 
Und wie sieht die konkrete Umsetzung aus?
Wir führten die Zeiterfassung mithilfe von Abacus ein, welche seit kurzem auch über eine App (AbaClik) verfügt. Für all diejenigen Mitarbeitenden, welche die Arbeitszeit nicht übers Mobile erfassen möchten, steht zusätzlich eine Desktop-Lösung zur Verfügung (myAbacus). Sämtliche Auswertungen können wir vom HR und die Führungskräfte einfach über myAbacus runterladen.
 
Wie war es denn vor der Arbeitszeiterfassung?
Vor der Einführung haben wir mit Excel-Listen die diversen Abwesenheiten zusammengetragen (z.B. Ferien, Krankheitstage, etc.). Das war relativ umständlich und zeitintensiv. Nun haben wir mit der Einführung der Zeiterfassung ein System, welches uns entlastet. So können wir die gewonnene Zeit verstärkt für Mitarbeitergespräche und die Führungsentwicklung investieren – und müssen uns nicht mit Excel-Tabellen rumschlagen.
 
Was auch dem Chef bei seiner Kontrollfunktion (Führungsfunktion) hilft…
Naja, was heisst Kontrolle? Natürlich bekommt man eine bessere Übersicht über die Arbeitszeit jedes Einzelnen. Es hilft im Alltag eines Vorgesetzten, den subjektiven Eindruck von Mitarbeitenden mit Daten und Fakten zu konkretisieren – was eine gute Basis für offene Gespräche ist. Fragen oder Unsicherheiten können so sehr einfach aus der Welt geschafft werden. Glücklicherweise haben wir sehr motivierte und engagierte Mitarbeitende. Das hat auch die letzte „Great Place to Work“-Befragung wieder gezeigt, wo wir zu den besten Arbeitgebern in der Schweiz gekürt wurden.
 
Und wenn doch mal Fragen auftauchen – welche könnten das sein?
Das können verschiedene sein. Fragen wie: Passt der Workload oder ist es zu viel? Fühlt sich der oder die Mitarbeitende wohl und seinen Stärken entsprechend gefördert? Oder: Muss im Team etwas umverteilt werden? Muss an Prozessen/Systemen gearbeitet werden, damit an Effizienz gewonnen werden kann?
 
Was macht man mit Aussendienstmitarbeitenden, die Kundenbesuche haben oder Mitarbeitenden im Homeoffice?
Das ist wohl die Frage, die ich am häufigsten gestellt bekomme. Die Antwort ist einfach: Es ändert sich an sich nichts mit der Erfassung der Arbeitszeit. Wird gearbeitet, „checkt“ man via App „ein“, wird nicht mehr gearbeitet, „checkt“ man wieder „aus“. Sprich: Arbeitet der Mitarbeitende einen Tag direkt aus dem Homeoffice, ist er eingecheckt und macht auch hier die von Gesetztes wegen vorgeschriebene Mittagspause und erfasst diese. Ist der Aussendienstmitarbeitende mit dem Auto unterwegs zu einem Kundentermin, ist er bereits auf der Anfahrt „eingecheckt“. Geht er mit dem Kunden Mittagessen, dann bezieht er auch hier die von Gesetzes wegen vorgeschriebene Mittagspause und „checkt aus“.
Das basiert nach wie vor auf Vertrauen. Wir verzichten bewusst auf ein 100-seitiges Regelwerk – wir möchten die Zeiterfassung möglichst pragmatisch und unkompliziert durchführen. Eine Anleitung mit zwei Seiten reicht bei uns völlig aus.
 
Bezüglich Einführung der Arbeitszeiterfassung: Wie geht man mit Bedenken der Mitarbeitenden um?
Das HR-Team versucht hier so gut wie möglich auf alle aufkommenden Fragen sei es seitens Geschäftsleitung, aller Führungskräfte wie aber auch aller Mitarbeitenden einzugehen. Um uns etwas zu entlasten, haben wir im November rund 20 Power-User geschult, welche das System im Vorfeld selber testen konnten, und freuen uns auf deren Unterstützung bei der Einführung in Bezug auf sämtliche technische Herausforderungen. Ausserdem haben wir Ende Dezember für alle Mitarbeitenden Schulungen organisiert und zusätzlich ein Q&A mit den wichtigsten Fragen und Antworten erstellt. Nun werden die Führungskräfte geschult, da bereits erste Learnings miteinbezogen werden können.
 


Vor allem neuere Arbeitszeitmodelle wie Jobsharing sind manchmal schwierig mit der Arbeitszeiterfassung zu vereinbaren – doch was ist eigentlich dieses Jobsharing?

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