Auch wenn es fast so scheinen mag, ist heute zum Glück doch nicht ganz alles anders als früher. Vor allem im Bereich Führung gilt nach wie vor: Sattelfestes Fachwissen, Integrität und Fairness sind und bleiben bewährte Eigenschaften von Führungspersonen. Dennoch hat sich im letzten Jahrzehnt viel getan: Führungskräfte sehen sich heute einer Vielzahl neuer Herausforderungen ausgesetzt, die vor wenigen Jahren noch gänzlich unbekannt waren. Real-time-Informationsfluss, erstarkte und vernetzte Anspruchsgruppen – intern wie extern – oder virtuelle Arbeitsgruppen sind nur einige davon.
Vor allem bei den Millennials, die langsam aber sicher in der Mitte der Gesellschaft ankommen, ist althergebrachtes Hierarchiedenken „out of fashion“, wenn es denn nicht sogar auf aktive Ablehnung stösst. Um mit dem immer dynamischeren Arbeitsumfeld Schritt zu halten und von echten kreativen Impulsen zu profitieren, müssen Führungskräfte stattdessen auf Netzwerke setzen. Der Schritt geht weg von festen Teamstrukturen und hin zu unternehmensinternen Netzwerken, die sich selbst organisieren. Dabei werden Kreativität und Innovation gefördert und gleichzeitig Prozesse vereinfacht, so eine Studie der Initiative Neue Qualität der Arbeit zum Thema „Führungskultur im Wandel“.
Diese weitgehend selbstständig agierenden Netzwerke und die dadurch freigesetzte kollektive Intelligenz setzen unter anderem voraus, dass sämtlichen Mitarbeitenden Führungseigenschaften eingeräumt werden. Die Studie „Schweiz führt“, bei der Information Factory in Zusammenarbeit mit jobs.ch und Persorama 2‘414 Personen – von HR-Fachleuten über Führungskräften bis hin zu Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung – befragt hat, beschreibt diese Erkenntnis wie folgt: „Führungsfähigkeiten wie Kommunikationsgeschick oder der Aufbau relevanter arbeitsbezogener Beziehungen werden heute nicht nur von Führungskräften sondern immer mehr auch von Mitarbeitenden erwartet.“
Das Denken in Netzwerken verändert auch die Machtverhältnisse in den Unternehmen. Macht haben in Zukunft nicht mehr die Personen, die sich um jeden Preis die Kontrolle sichern, sondern Persönlichkeiten, die positive Resonanz erfahren. Selbstbewusste Leader verstehen, dass befähigte Mitarbeitende eine Bereicherung und keine Gefahr darstellen.
So viel Selbstvertrauen will jedoch gelernt sein, denn es bedingt, dass sich ebendiese Führungskräfte unter anderem regelmässigen Evaluationen ihrer Teams stellen müssen. Die Studie „Schweiz führt“ stellt diesbezüglich fest, dass 76% der befragten Mitarbeitenden gerne ihren Vorgesetzten selber wählen würden. Interessanterweise geben ebenso viele Führungskräfte an, einer demokratischen Wahl nicht abgeneigt zu sein.
Ein spannendes Konzept, welches ebenfalls erst mit dem Eintritt der Millenials in die Arbeitswelt, aufgekommen ist, ist die „Co-Leadership“: Gemäss der „The 2016 Deloitte Millenial Survey“ sind rund 71 Prozent der Millenials weltweit unzufrieden darüber, wie sich ihre Leadership Skills entwickeln, beziehungsweise fühlen sich für Führungspositionen übergangen. Die „Co-Leadership“, also das Aufteilen von Führungsverantwortung bestimmter, strategisch relevanten Projekten auf einen Millenial-Projektleader und einen führungserfahrenen Mitarbeitenden kann hier die geeignete Möglichkeit sein, insbesondere Millenials auf künftige Führungsrollen vorzubereiten und den Wissensaustausch zwischen zwei Generationen zu fördern.
Nicht alles hat sich verändert. Dass Führungskräfte heute aber mehr „Enabler“ als Aufgabendelegierer sein müssen und vermehrt Führungsaufgaben gemeinsam mit Nicht-Führungskräften übernehmen werden, ist ein klares Indiz dafür, dass die autokratische Linienhierarchie bald der Vergangenheit angehören wird.