Employer Branding-Falle Mitarbeiterbeurteilungen

EmployerBrandingWenn ich jetzt, wenige Wochen nach meinem Schritt in die Selbstständigkeit, an meine Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmungen denke, muss ich bei einem Gedanken fast schön hörbar aufatmen: Mitarbeiterbeurteilungsgespräche führen. Jetzt stehen sie nämlich wieder landauf-landab in den Agenden der Führungskräfte und ihrer Mitarbeitenden. Ich kenne eigentlich niemanden, der sich darauf freut.

Krampf statt Kreativität
Grund für diesen Missmut sind wohl fast überall weniger die Gespräche an sich als vielmehr drei einengende Rahmenbedingungen:

  1. Pingelig exakte Benotungsskalen mit offen oder indirekt ausgesprochenen Soll-Vorgaben für die Resultate
  2. Strukturierte und über einen Kamm gescherte Gesprächsabläufe mit (vermeintlich) ausgeklügelten Formularen und einem ganzen Set an Krücken in Form von Checklisten, Leitfäden etc. für Mitarbeitende und Führungskräfte
  3. Lohnwirksamkeit

Aus den an sich zweifelsohne sinnvollen regelmässigen Gesprächen hat sich eine regelrechte Industrie entwickelt. Hausinterne Seminare für Mitarbeitende und Coachings für Führungskräfte sollen allen Beteiligten helfen, das alljährliche Ritual ohne grössere Blessuren über die Runden zu bringen. Die Gretchenfrage, ob denn nun die Bewertung der Leistung in drei, fünf oder sechs Spalten abgehandelt und ob diese mit Zahlen oder Buchstaben erfolgen soll, wird episch und engagiert geführt – nicht selten engagierter als die Gespräche selber. Die internen Personalentwickler freuts und externe Berater reiben sich die Hände. Sie helfen noch so gerne mit, Formulare und Leitfäden zu entwickeln – viele davon zehn oder mehrseitig – und bei der Implementierung zu helfen. Auch Softwareanbieter haben erkannt, dass  sich mit der lückenlosen Erfassung der Gespräche Geld verdienen lässt. Auf Knopfdruck lassen sich so die Gespräche auswerten – und somit die Bewertungen der Chefs und damit einhergehend ein oft unausgesprochenes Wertesystem, welcher Chef zu wohlwollend beurteilt. Dazu wird dann gerne die Sollverteilung nach dem guten Gauss als „Soll-Schablone“ über die Resultate gelegt. Ein recht perfides Disziplinierungsinstrument für die Vorgesetzten. Einer richtig guten Gesprächskultur den Rest gibt dann noch die vielerorts eh lächerlich geringe Lohnsteuerung. Der Gedanke, die Lohnentwicklung an die Beurteilung der Leistung zu knüpfen, ist ja an sich ehrbar. Dummerweise behindert sie die Gesprächskultur in einem Ausmass, welches richtig guten Mitarbeitergesprächen definitiv den Todesstoss versetzt, indem die Beurteilung von der Lohnsumme gesteuert wird statt umgekehrt. Mit anderen Worten: Die zur Verfügung stehende Summe für Lohnerhöhungen steuert die Beurteilungen und somit die Gespräche. Und die Mitarbeitenden schielen selbst bei gerechtfertigter und nach allen Regeln der Kunst ausgesprochener Kritik nach den Auswirkungen auf ihr Portemonnaie und gehen über in den Rechtfertigungs-Nahkampf.
Die jährlichen Mitarbeiterrituale stehen – endlich – in der berechtigten Kritik. So kritisiert Professor Dr. Armin Trost, die Personalverantwortlichen würden das Mitarbeitergespräch vielfach als gegeben ansehen, weil sie instrumentengetrieben seien. „Für sie steht das ,Wie?‘ im Vordergrund.“ Oft jedoch werde das ,Warum?‘ und das ,Für wen?‘ vergessen. „In vielen Firmen ist das Mitarbeitergespräch eingeführt worden, weil eine Mitarbeiterbefragung ergeben hat, dass zu wenig Feedback gegeben wird,“ mein Trost in einem Artikel, gesehen in die Presse. In die gleiche Kerbe schlägt auch Anne M. Schüller. „Mitarbeitergespräche werden gemanagt, statt geführt», schreibt die Bestsellerautorin aus München auf karriere.at.
Nochmal zurück zu Armin Trost. Für ihn sind Mitarbeitergespräche schlicht eine Gefahr für gute Führung, wie er mir unlängst in einem Gespräch verriet. Und weil gute Führung einer der wichtigsten Aspekte der Talente bei der Wahl ihres Arbeitgebers sind, könnten Unternehmen folgedessen in ihrer Personalwerbung damit punkten, dass sie auf die durchstrukturierten Mitarbeitergespräche verzichten – und stattdessen Wert auf eine direkte und wertschätzende Feedbackkultur setzen. Man stelle sich ein Stelleninserat hier auf jobs.ch vor, und unter „Wir bieten“ steht: Eine gute Feedbackkultur ist uns wichtig – genau deshalb verzichten wir auf strukturierte Mitarbeitergespräche. Irgendwie charmant, oder?

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