Mannomann … das waren noch Zeiten. Die Steuerbehörde kannte meine Postadresse noch nicht, ich wohnte im Grandhotel Mama, an den Wochenenden schlief ich bis mittags und mein herziger Lehrlingslohn von CHF 500.– reichte locker für drei Monate: damals als ich in der Lehre war. :-)
Anfang Jahr habe ich mit meinem Arbeitskollegen Alex vom CRM-Team den Berufsbildnerkurs (früher Lehrmeisterkurs genannt) besucht. Und ich sage Ihnen eines: Wenn Sie mal eine Reise in die Vergangenheit wagen möchten, besuchen Sie diesen Kurs! Denn da werden Sie rasch in Ihre Zeit als Lernender (früher Lehrling oder Stift genannt) katapultiert. Ganz ohne Hypnose und ohne Zeitmaschine.
Die Frage nach dem Warum
Aber warum erzähle ich das Ihnen überhaupt? Warum sollten Sie meinen Artikel zu Ende lesen? Ich erkläre es Ihnen:
Als Berufsbildner für junge Auszubildende vergisst man oft die Empathie.
Was hat meine Lernende zu diesem und jenem bewegt?
Wieso macht er denselben Fehler immer wieder?
Warum merkt sie sich nicht, was ich sage?
Warum verhält er sich so komisch?
Die Antwort: Wir sind zu alt!
Auch wenn ich mich mit meinen 31 Jahren den 16-jährigen Lernenden noch immer sehr nahe fühle, die Wahrheit ist halt einfach: Ich bin es nicht mehr! Und wenn Sie nicht mehr 20 sind, dann gilt das auch für Sie. Tönt hart, ist aber so.
Im Vergleich zu den Lernenden haben wir andere Sorgen und Tagesabläufe. Die Lernenden befinden sich mitten in der Pubertät, da passiert so einiges im und am Körper. Dann noch der Druck von Schule, Eltern, Lehrgeschäft, den Freunden, den Medien … Dazu kommen dann noch die erste Liebe, der Führerschein … ach, Sie wissen ja selbst, oder?
Versuchen Sie sich zu erinnern
Beantworten Sie diese Fragen für sich:
- Was hätten Sie sich in Ihrer Lehrzeit von Ihrem Lehrmeister gewünscht?
- Wie war Ihre Beziehung zu Ihrem Lehrmeister?
- Was hat Ihnen in Ihrer Lehre besonders gefallen? Was haben Sie geschätzt?
- Hat Sie Ihr Lehrmeister unterstützt? Und wenn ja, wo?
Wenn Sie sich jetzt die drei Minuten Zeit genommen haben, um diese Fragen zu beantworten, dann sollten Sie mittlerweile in der Vergangenheit angekommen sein. Bitte nicht umsteigen. Bleiben Sie noch ein bisschen hier.
Nach diesem Kurs bin ich mir fast schon ein bisschen böse vorgekommen. Wieso war ich auf meinen Lernenden sauer, weil er total übermüdet bei der Wochenbesprechung aufgetaucht ist? Anstatt die Augenbrauen hochzuziehen, vielleicht besser die Mundwinkel und fragen, wie die Geburtstags-Party vom Schwarm am Vorabend war, auf die er sich schon seit vier Wochen gefreut und vorbereitet hatte. Oder nachfragen, ob er die nächtliche Lernphase nicht auf heute Vormittag verlegen will.
Ich will damit nicht dazu aufrufen, alles zu akzeptieren und durchgehen zu lassen, aber wissen Sie noch, wie schwer Sie es in Ihrer Ausbildung hatten? Waren Sie nicht auch um jedes freundliche Gesicht dankbar, wenn Sie genau so – also mit dunklen Augenringen – im Geschäft aufgetaucht sind?
Dritte Säule, Sucht und Krisengespräch
Mein Lehrmeister bat mich nach der abgeschlossenen LAP in sein Büro. „Wir müssen reden.“ Oh, oh … was hatte ich denn jetzt angestellt? Eben nix, doch das musste sich ändern. Mein Lehrmeister erklärte mir die dritte Säule und empfahl mir, diese gleich mit dem ersten Lohn anzulegen. Mann, bin ich ihm dankbar für diesen Tipp! Hat schon ein schönes Sümmchen auf dem besagten Konto.
Muss ja nicht immer eine synthetische Droge sein – aber heutzutage kann man auch handysüchtig sein. Wieso nicht auf Augenhöhe besprechen? Wer soll es ihnen denn sonst sagen? Alles, was die Eltern von einem wollen, ist ja sowieso und per se doof. Die Kollegen lästern vielleicht hinterm Rücken oder sind auch abhängig.
Wieso sind also nicht Sie die Stütze und helfen dabei, eine Sucht anzugehen?
Und zu guter Letzt: Bei Krisengesprächen neigt man ja tendenziell dazu, erst mal alles auf den Tisch zu packen und zu kritisieren. Aber wieso nicht den Lernenden das Problem selber formulieren lassen? Mittels einer Situationsanalyse soll er erklären, wieso dieses Gespräch stattfindet, warum Ihnen etwas nicht gefällt oder sogar dem Unternehmen schaden könnte und ob er dafür eine Erklärung bzw. Lösung hat? Lassen Sie ihn einen Kompromiss wählen oder die Konsequenzen vortragen. So wurde es uns im Berufsbildnerkurs empfohlen und mir gefällt diese Idee sehr gut.
Was meinen Sie dazu?
Ist das zu viel „Spührsch mi, fühlsch mi“?