Doris Dinkel und die unerwarteten Fragesteller

Nach den ersten zwei aussergewöhnlichen Vorstellungsgesprächen schaute Doris ihre paar offenen Bewerbungen an, insgesamt waren es fünf. Sie bekam zwei Vorstellungsgespräche und drei hatten sich noch nicht gemeldet. Doch da klingelte bereits schon wieder ihr Handy. „Hallo Doris hier ist Susanna von der Reifel Group. Du hast dich ja am Montag bei uns beworben. Hast du nächsten Dienstag Zeit für ein Kennenlernen?“. Doris bejahte.

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Endlich war Dienstag und Doris freute sich auf den Besuch bei Reifel. Sie solle einfach mal vorbeikommen, hatte Susanna gemeint – keine Kletterausrüstung, kein Sporttenue – ein ganz normales Vorstellungsgespräch also. Doris meldete sich beim Empfang, setzte sich in der Eingangshalle auf die Polstergruppe und wartete. Nach kurzer Zeit ging die Lifttür auf und eine grossgewachsene Blondine steuerte strahlend auf Doris zu. Das musste Susanna sein. Neben Susanna lief ein genauso strahlender junger Typ her. Und hinter den beiden waren nochmal zwei strahlende Gesichter im Anmarsch, Doris war verwirrt. „Hallo Doris, ich bin Susanna und das ist unser Controlling-Team: Maximilian, Anna-Luisa und Beni.“ – „Wir sorgen dafür, dass alle jeden Monat ihre Kohle bekommen.“, sagte Beni flapsig und grinste, „Komm, wir setzten uns ins Barnabas gegenüber. Dort angekommen bestellten alle Kaffee, Doris einen Espresso. Keine Dossiers, keine Notizblöcke, keine Broschüren. Irgendwie kam sie sich eher vor wie in einer Schulpause als wie bei einem Vorstellungstermin und das gefiel ihr.
Doris erzählte vom Klettern und von ihrer Vorliebe für Outdoor-Aktivitäten. Die andern hörten ihr zu, stellten ab und an ein paar Fragen. So richtig schienen sie Doris Leidenschaften aber nicht zu teilen. Nun meldete sich Beni: „Du musst wissen, wir suchen eine Teamplayerin. Wir arbeiten jetzt schon seit zwei Jahren in dieser Konstellation und wir brauchen jemanden der voll mitzieht.“ – „Ich habe auf jeden Fall eine Menge Zug!“, antwortete Doris keck. Das war offenbar Anna-Luisas Stichwort. „Apropos Zug“, bemerkte sie, „Raucherpause!“. Das Controlling-Team erhob sich wie auf Knopfdruck. „Du rauchst nicht, oder?“, fragte Susanna, die sitzen blieb. Doris verneinte, Susanna sagte „No problem! Dann können wir ein paar formelle Sachen besprechen.“ Doris lächelte, wurde aber das Gefühl nicht los, dass das früher oder später doch noch zum „Problem“ werden könnte.
Als sie die Raucher wieder kamen, erläuterte Anna-Luisa Doris die Haupttätigkeiten im Büro. Dabei waren neben vielen administrativen Aufgaben auch individuelle Projekte nach Doris Geschmack. Kurz darauf bezahlte Beni die Runde Kaffee und Susanna erklärte das Vorstellungsgespräch für beendet. Sie vereinbarten, dass Doris sich in den nächsten zwei Tagen melden würde.
Selbstverständlich machte sich Doris schon auf dem Nachhauseweg ihre Gedanken und begann abzuwiegen. Die Teammitglieder waren alle super nett. Die Arbeit entsprach auch Doris Vorstellungen. Es war sogar möglich, sich die Arbeitszeit selbst einzuteilen, was für Doris absolut neu war. Und dennoch… jetzt wo sie das ganze Team kennengelernt und als Gruppe mit eingespielten Mustern erlebt hatte, stand ihre Entscheidung fest: Sie würde absagen. Obwohl sie alle vier mochte, sah sie sich nicht in diesem Team.
Oftmals wird man bei einem Vorstellungsgespräch von jemandem interviewt, mit dem es im Arbeitsalltag keinerlei Berührungspunkte mehr gibt. Suchen doch alle Unternehmen immer nach Teamplayern, kann es hilfreich sein, das spätere Arbeitsumfeld beim Vorstellungsgespräch miteinzubeziehen. So sehen beide Seiten gleich, ob die Konstellation passen könnte. Im Fall von Doris lief das auf eine Absage seitens der Kandidatin hinaus – schade. Allerdings macht ein solches Kennenlernen Entscheidungen oft einfacher und erspart beiden Parteien unvermeidbare Differenzen.
Christoph Jordi ist Gründer und CEO von DoD!fferent und schreibt hier einmal pro Monat als Gastautor. DoD!fferent bietet agile Strategieberatung mit Fokus auf Employer Branding. Jordi doziert zudem am Schweizerischen Institut für Betriebsökonomie und führt dort den Cert. Employer Branding Expert Lehrgang durch.

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