Kürzlich feierte er seinen 50. Geburtstag im Kreise der Familie und mit den Arbeitskollegen. Die zweite Etappe verhiess Vielversprechendes. War er doch Abteilungsleiter in einem Konzern, intern gut vernetzt, als Vorgesetzter geschätzt. Und seine Kinder „versorgt“ in der Berufsausbildung. Dann kam der Tag, an welchem er zu einer Sitzung gerufen wurde. Es wurde ihm mitgeteilt, dass der Firmenstandort verlegt und seine Abteilung umgestaltet werde. Man könne ihn in der neuen Form nicht mehr weiterbeschäftigen und es tue allen sehr leid, aber man müsse ihm künden. Er erhalte gemäss dem Sozialplan einen Coach, welcher ihn bei der weiteren Entwicklung unterstützen werde.
Pamm! Das sitzt! Die vermeintlich stabile Welt wurde für ihn auf einmal zum Tummelplatz der Gefühle. Trauer, Wut, Ohnmacht, das Gefühl, ein Versager zu sein, machten sich in ihm breit. Wie sag ich das meinen Angehörigen? Wie reagieren meine Freunde aus dem Verein? Scham macht sich breit. Oder kann ich noch etwas retten? Hoffnung kommt auf und vergeht wieder …
Bei jedem Telefonat vor einer Bewerbung rast der Puls. Die Hoffnung steigt mit jedem Klingelton. Hoffnung macht sich breit, wenn das Dossier abgeschickt werden kann. Doch der Gang zum Briefkasten oder das Öffnen der Mails lösen immer von Neuem Ängste aus, die meist berechtigt sind: Wir bedauern sehr … mitteilen zu müssen … überqualifiziert … anderer Bewerber … weiterhin viel Glück …
Als Outplacement-Berater erlebe ich solche Situationen oft mit meinen Klienten. Im letzten Oktober waren von 132’050 arbeitslos gemeldeten Personen 36% über 45 Jahre alt. Die Situation lässt sich nicht schönreden und ist auch auf Seite der Rekrutierenden bestimmt nicht immer mit einem Schulterzucken abzutun. Auch der blumigste Absagebescheid ist eben eine Absage. Doch wie könnten Sie, liebe Recruiter, trotz Zeitdruck und Zielerreichungswille doch eine hilfreiche Absage erteilen? Könnte ein Dossier auch noch anders angesehen werden? Lassen Sie mich ein paar Tipps mit Ihnen teilen:
- Reden Sie bereits bei einer telefonischen Anfrage Klartext, wenn Sie eine Alterslimite nach oben haben: Es erspart Ihnen und den Bewerbenden viel Zeit und Aufwand.
- Machen Sie die Bewerbenden auf ihre Stärken aufmerksam: Eventuell sehen Sie als Profi ein anderes Berufsfeld. Dies nützt den Kandidaten sehr.
- Seien Sie offen: Nicht alle Bewerber über 50 Jahre möchten wieder eine Führungsposition und ein horrendes Salär. Manche wollen einfach wieder arbeiten und sind damit wirklich glücklich.
- Seien Sie mutig: Schlagen Sie der Linie auch einmal ein Dossier vor, welches nicht der Norm entspricht.
Mir ist klar, dass ab einer gewissen Anzahl Bewerbungen ein standardisiertes Verfahren mit allgemeingültigen Absagegründen effizient ist und dass es in der Rekrutierung Vorgaben gibt. Es liegt jedoch an jeder einzelnen Person, auch einmal den Rahmen auszudehnen.
Wie erleben Sie das? Ihre Erfahrungen interessieren mich!
Sandro Pisaneschi ist Inhaber von beratungsbuffet.ch. Er begleitet Menschen in Veränderungssituationen und führt Outplacements mit Personen über 50 Jahre durch. Er berät Führungspersonen und Firmen in den Bereichen der Mitarbeiter- und Organisationsentwicklung.