Kürzlich habe ich meinen Kollegen Peter im Fussballstadion wieder einmal getroffen. Er ist Personalchef eines grösseren KMU in der Ostschweiz. Er erzählte mir davon, in diesem Jahr bereits zwei Mal vor Arbeitsgericht gewesen zu sein. Grund in beiden Fällen: Das Arbeitszeugnis. Es geht um voll, voller am vollsten und ähnlichen Sprachschrott. Das und mein regelmässiger Ärger mit diesen Dokumenten inspiriert mich zu meiner ganz simplen Forderung: Abschaffen! Mit diesem radikalen Ansatz stehe ich zum Glück längst schon nicht mehr alleine da.
Es ist kaum zu glauben: Auf Amazon finden sich zum Stichwort „Arbeitszeugnis“ über 600 Suchtreffer. Trotzdem ist nichts wirklich klar. Um kein anderes HR Thema ranken sich so viele Mythen, Vor- und Fehlurteile. Kürzlich stand sogar im Blick, dass nach fünf Jahren grundsätzlich ein Anspruch auf ein sehr gutes Arbeitszeugnis bestünde. Was für ein Quatsch. Arbeitsrechtlerin Vanessa Niedermann hat mit diesem Fehlurteil und zwei anderen immer wieder kolportieren Stereotypen aufgeräumt. Aber viele falsche Einschätzungen bleiben. Fragen Sie doch einmal Personaler, die Vorselektionen machen, was sie aus fehlenden Schlussformulierungen schliessen. Viele sortieren solche Dossiers einfach so aus. Aber warum sind die Floskeln mit dem Bedauern denn wichtig? Warum muss irgend jemand irgend etwas bedauern, wenn ein Mitarbeiter im besten Einvernehmen eine neue berufliche Herausforderung sucht und findet? Nichts anderes als ein dummer Code, die wir HR-Verantwortlichen ja alle so verabscheuen?!
Ich plädiere dafür, die Arbeitszeugnisse ganz einfach abzuschaffen. Das würde alleine in unserem kleinen Land über 30 Millionen Franken Sparpotenzial auslösen – pro Jahr. 300 Menschen arbeiten hier alleine dafür, um die schwammigen und in aller Regel nichtssagenden Stelleninserate zu erstellen und Streitigkeiten zu lösen. Unglaublich. Ich schlage vor, die Arbeitsleistungen nüchtern zu dokumentieren. Nüchtern heisst, ganz einfach in Anlehnung an Arbeitsbestätigungen die Aufgaben und die Tätigkeiten sowie die Dauer der Anstellung festzuhalten. Warum nicht in einem elektronischen Register, einer Art „Berufsregister“?
Einen ebenfalls interessanten Ansatz beschreibt Karriereberaterin Svenja Hofert in der Karrierebibel. Sie schlägt vor, die Personalbeurteilungen verstärkt als Nachweis für die Leistung und das Verhalten zu verwenden. Gefällt mir, so einfach, so pragmatisch und definitiv aussagekräftiger als die weichgespülten Arbeitszeugnisse. Hofert schreibt: „Viele meiner Kunden, vor allem aus dem Managementbereich, bringen schriftliche Beurteilungen als Zeugnisersatz mit ins Gespräch oder senden sogar Bewertungen mit. Da sieht der Empfänger dann schwarz auf weiß, dass das Führungsverhalten zum Beispiel in der Mitarbeiterbefragung weit überdurchschnittlich ausfiel. Auch Bewertungen aus Assessment Centern, Personalentwicklungsworkshops, Einstufungen in bestimmte Leistungsklassen (Top-Performer etc.) erfüllen gute Dienste.“
Arbeitszeugnisse abschaffen. Wie denken Sie darüber? Utopie, oder… ?
Auf Wiederlesen