Eine „Work-Life-Balance“ gibt es schon lange nicht mehr

Der Begriff „Work-Life-Balance“ hat eine steile Karriere hinter sich. Dabei ist er ein Witz: Die meisten Arbeitnehmer können gar nicht mehr zwischen „Work“ und „Life“ unterscheiden. Jeder ist immer erreichbar – privat und für die Arbeit. Smartphones und mobile Geräte tragen die Arbeit in die eigenen vier Wände.
Work-Life-Balance
Wenn der Zeitdruck bei Projekten gross und die personellen Ressourcen knapp sind – und wo ist das schon nicht der Fall? – dann werden schnell E-Mails von zu Hause aus bis spät in die Nacht beantwortet, zwischen Abendessen, Kinder ins Bett bringen und dem Wohnungsputz. Arbeits- und Freizeit sind nicht mehr zu trennen. Prekär kann es dann werden, wenn die ständige Erreichbarkeit zur Routine wird – ja, wenn sie auch aus Sicht des Vorgesetzten selbstverständlich ist, genauso wie die Telefonkonferenz in den Ferien oder Anfragen an Wochenenden.
Laut einer repräsentativen Studie (Swisscom-Studie, Sommer 2012) sind 57 Prozent der Arbeitnehmer in der Schweiz für Vorgesetzte und Mitarbeiter auch nach Feierabend erreichbar, 48 Prozent gar an Feiertagen. Die „Dunkelziffer“ derjenigen, die in den Ferien mehrmals täglich Mails checkt, ist noch viel höher. Und Prognosen gehen davon aus, dass 2013 das erste Jahr sein wird, in welchem deutlich mehr Smartphones als normale Handys verkauft werden – per Ende Juli waren es bereits 960 Millionen (Studie International Data Corporation). Nicht alle vertragen das gleich gut: Nach Schätzungen amerikanischer Studien kostet der sogenannte „Technostress“ – die psychische Belastung ausgelöst durch technische Geräte – weltweit jährlich bis zu 300 Milliarden Franken.
Feierabend also endgültig ade – oder eher eine Frage der Eigenverantwortung?
Wer nicht mit Höchstgeschwindigkeit in einen Burnout schlittern möchte, zieht die Notbremse. Ein paar Guidelines, um das zu vermeiden, können hilfreich sein. Der beste Weg: Abschalten, das Handy am Abend wie an Wochenenden auf stumm schalten und die E-Mail-Synchronisation ausstellen. In jedem Fall auch den Arbeitgeber in die Pflicht nehmen, denn: Jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine ungestörte Freizeit. Arbeitgeber benötigen arbeitsgesetzliche Bewilligungen sowie das Einverständnis des Mitarbeiters für Arbeitseinsätze an Sonn- und Feiertagen. Und ist man sich als Arbeitnehmer nicht ganz sicher, ob Notfall oder nicht – dem Pflichtgefühl lieber nachgeben oder rigoros Freizeit geniessen? – ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzten hilft. Individuelle Auszeiten für die Erreichbarkeit über E-Mail und Smartphone können letztlich auch erarbeitet und zwischen Arbeitgeber und –nehmer vereinbart werden.
Für die Schweiz zeigt unsere jüngst durchgeführte Umfrage zum Thema „Work-Life-Balance“ folgendes: Satte 84 Prozent der Schweizer Bevölkerung meistern den Spagat zwischen Arbeit und Privatleben gut und erleben einen zufriedenstellenden Alltag. Zumindest geben sie das in der Umfrage so an.
Aber: Wo liegen die Grenzen? Wie können Unternehmen Unterstützung leisten? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare.
Michel Kaufmann ist im Verwaltungsrat der JobCloud. Von 2001 bis 2014 engagierte er sich mit Aufgaben im Product Management, der IT und dem Marketing für den Ausbau des Stellenportals und der Marke jobs.ch. Seine langjährigen Erfahrungen in der Online Rekrutierung und dem Markenaufbau bilden den Hintergrund für seine Artikel in diesem Blog.

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