Sobald das Thema Fachkräftemangel aufkommt, wirft bestimmt jemand das Schlagwort „Social Media“ in die Runde. Dabei haben Recruiter auch schon ohne Social Media einige Hausaufgaben zu machen… Sind soziale Medien wirklich die Lösung? Auf den ersten Blick spricht nicht viel dafür:
- Social Media sind furchtbar ineffizient. Zur sinnvollen Direktansprache müssen ja die besten Kandidaten erst aus der riesigen Menge an Profilen im Netzwerk herausgepickt werden. Eine systematische und effiziente Suche nach geeignetem Personal ist aufwändig und langwierig.
- Das direkte Schalten von Inseraten in diesen Netzwerken findet zwar immer häufiger statt, bringt aber meist nicht die gewünschten Resultate. Die Zufriedenheit mit den Kandidaten, die sich auf eine Schaltung melden, ist in Umfragen jedenfalls meist relativ tief.
- Der soziale Branchenprimus musste kürzlich einen regelrechten Flop hinnehmen.
- Melden sich die berühmten „latent Stellensuchenden“ im richtigen Moment, auf die richtige Position? Wirklich?
All das ist im Kern falsch gedacht: Was leider oft vergessen geht, ist die eigentliche Basis der Social Media, nämlich das „Soziale“, das Dialogische. Wir müssen weiter denken als zu den Tools, die wir immer schon eingesetzt haben. In Social Media finden Diskussionen statt, tauschen sich Menschen aus und werden Meinungen aktiv nachgefragt.
Vieles passiert „neben“ der regulären, gesteuerten Kommunikation: Es entstehen (nicht moderierte) Diskussionsgruppen und –foren zum Unternehmen; Arbeitgeber werden (anonym) auf kununu bewertet; Videos von Mitarbeitenden geben (manchmal unfreiwillig) Einblick ins Unternehmen; die Art und Weise, wie ein Arbeitgeber auf Twitter, Facebook, Google+ etc. mit den Zielgruppen interagiert, definiert seinen „Charakter“ (auch wenn es der Praktikant macht); automatisch erstellte Unternehmensprofile geben durch das Zusammenführen von Mitarbeitenden Zusatzinformationen zu Teams und Abteilungen; und, und, und…
Kontrollverlust? Ja, ein wenig. Aber auch eine grosse Chance. Arbeitgeber müssen – zu ihren Themen – mitdiskutieren. Nicht das Schalten eines Inserats in einem sozialen Netzwerk pflegt die Unternehmensmarke, sondern das aktive Bearbeiten von Themen, das Bereitstellen von relevanten Inhalten mit Mehrwert, das Führen von ernst gemeinten Diskussionen auf Augenhöhe. So erreicht ein Unternehmen nicht nur die latent Stellensuchenden, sondern auch diejenigen, die gar nicht wussten, dass sie latent stellensuchend sind. Dann erreichen Unternehmen die Fachkräfte, die sich von „gesteuerter“ Unternehmenskommunikation schon lange nicht mehr abholen lassen.
Also, sagen Sie‘s uns: Was trägt Ihr Unternehmen zur Diskussion bei?
Michel Kaufmann ist im Verwaltungsrat der JobCloud. Von 2001 bis 2014 engagierte er sich mit Aufgaben im Product Management, der IT und dem Marketing für den Ausbau des Stellenportals und der Marke jobs.ch. Seine langjährigen Erfahrungen in der Online Rekrutierung und dem Markenaufbau bilden den Hintergrund für seine Artikel in diesem Blog.