Zuerst einmal ein glückliches neues Jahr für Sie! Ich freue mich, Sie auch 2015 monatlich mit einer kleinen Wort- und Gedankenreise durch das Jahr zu begleiten. A propos Gedanken: Woran denken Sie beim Stichwort „Blindbewerbung“? Bestimmt geht es Ihnen wie mir bis vor ein paar Monaten: Ich denke an Bewerbungen auf eine nicht ausgeschriebene Stelle. An Bewerbungen, die in vielen Unternehmen Stirnrunzeln verursachen. Weil vielleicht die Zuständigkeit nicht ganz klar ist. Weil man kein System zum „poolen“ der interessanteren Bewerbungen hat. Weil man bei einzelnen Bewerbungen das Gefühl hat, dass gar nicht „echt“ nach einem Job nachgefragt wird.
Eine ganz spezielle Art von Blindbewerbungen haben deutsche Grossunternehmen ins Leben gerufen. Sie haben sich in der Initiative „Blind Applying“ zusammengetan und bieten ein knappes Dutzend spannender Praktikumsplätze in aller Welt an. Dazu laden sie Interessierte zur Blindbewerbung ein. Das heisst, dass man sich nicht für einen spezifischen Praktikumsplatz bewerben kann. Die Bewerberinnen und Bewerber steigen ins Rennen, ohne vorher zu wissen, ob und wenn ja bei welchem der teilnehmenden Unternehmen und in welchem Land sie in die nähere Auswahl kommen. Fast schon ein bisschen verrückt. Zumindest aber eine spezielle Aktion mit einer guten Prise Abenteuer.
Die Interessierten bewerben sich nicht direkt bei einer der mittlerweile 21 teilnehmenden Firmen, sondern bei Entrypark, welche die Idee der etwas anderen Blindbewerbung im Auftrag der Partnerunternehmen abwickelt. Natürlich online, ein Bewerbungsscheiben ist nicht nötig. „Sparen Sie sich zeitaufwendige Floskeln – denn das Anschreiben entfällt. Wir suchen unsere passenden Kandidaten nach Interessensfeldern und Qualifikationen je Praktikumsplatz aus“, heisst es auf http://www.blindapplying.com.
Treibende Kraft hinter dem Projekt ist die Deutsche Telekom. Diese hatten, so sagt es Initiator Frank Staffler in einem ausführlichen Interview, „ganz einfach Lust auf etwas Neues. Wir wollten etwas anderes ausprobieren – den „08/15-Bewerbungsprozess“ revolutionieren, neue Wege gehen. Nicht als einzelnes Unternehmen um die Talente werben, sondern vielmehr gemeinsam Synergien schaffen.“
Bei so viel Unternehmenspower und attraktiven Praktika in der ganzen Welt – von Santiago de Chile bis Paris, von Shanghai bis Hamburg, von London bis Tokyo – erstaunt es kaum, dass die Nachfrage bei der ersten Durchführung 2013 riesig war. 10’000 junge Menschen bewarben sich. Jetzt, bei der zweiten Ausgabe, waren es sogar 13’346! Kritiker bemängeln, das sei ein bisschen viel Rummel für letztlich doch wenige Praktikumsplätze. Doch für Frank Staffler steht etwas ganz anderes im Vordergrund: „Bei Blind Applying geht es uns Arbeitgebern im Wesentlichen nicht um die Besetzung eines Praktikumsplatzes, das Praktikum ist letztendlich der Appetizer. Im Kern steht die Pilot-Kampagne für eine neue Herangehensweise mit Kollegen & Partnern für die Generation Y ein neues Angebot bereitzustellen.“
Der Praktikumsplatz der Telekom ist in diesem Jahr übrigens in Chicago. Letztes Jahr war er noch in Berlin. Was Praktikantin Marta aus der Ukraine, die sich den begehrten Platz ergattert hat, dabei erlebt hat, können Sie hier nachlesen.
Ich bin gespannt darauf, wie sich diese Idee weiterentwickelt. Und ob sich vielleicht so etwas auch in der Schweiz realisieren liesse.
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