Die klassische Bewerbung mit Lebenslauf und Anschreiben verliert gerade ihre «Pole Position» im Recruiting. Zwar hat der Lebenslauf nach wie vor seine Berechtigung, denn die Fakten zu Ausbildung, erworbenen Qualifikationen und beruflichen Stationen bleiben ein wichtiger Aspekt im Bewerbungsprozess. Allerdings ist der CV lediglich eine Momentaufnahme. Ähnlich dem Blick in den Rückspiegel beim Autofahren gibt er vor allem Aufschluss über das, was «hinter» einer Person liegt. Dieser Blick in die Vergangenheit ist wichtig. Um voranzukommen, braucht es jedoch vor allem den Blick «nach vorn» – das gilt fürs Autofahren genauso wie fürs Recruiting.
Das Recruiting steht gerade an derselben Stelle wie die Entwicklung des selbstfahrenden Autos vor ein paar Jahren: Assistenzsysteme wie zum Beispiel CV Parsing, automatisiertes Matching, digitale Persönlichkeitstests, Motivationstests, Führungstests, Online Fallstudien, Bewerbungs-Spiele etc. sind verfügbar und werden genutzt. Drei Viertel der Top-1.000-Unternehmen sowie acht von zehn IT-Unternehmen halten die Digitalisierung der Personalgewinnung für gut. Auch die Talente sind dafür offen. Die Umsetzung ist jedoch noch etwas zögerlich.
Potenzial schlägt Lebenslauf
Fürs Recruiting bedeutet das: Mit den verfügbaren technischen Möglichkeiten können Unternehmen ihr «Matching» revolutionieren. Es geht also darum, wie und wie viel Assistenz-Systeme eingesetzt werden, um das Recruiting zu erleichtern. Sie sind in der Lage den «Blick nach vorn» auf das Potenzial zu richten, das eine Person mitbringt. Auf der Basis verschiedener messbarer Persönlichkeitsmerkmale lässt sich fundiert einschätzen, wie eine Person zum Unternehmen und den Anforderungen passt. Die dabei relevanten Faktoren gliedern sich in drei Bereiche:
Kognitive Skills: Sie bezeichnen vor allem Denken und Intelligenz. Dazu gehören das Urteilungsvermögen sowie die Fähigkeiten, zu recherchieren und sich zu informieren, rational zu analysieren und Entscheidungen zu treffen. Gemessen werden kognitive Skills durch Fallstudien, digitale Fragebögen (bestens bekannt ist zum Beispiel der GMAT) oder Online Games und Simulationen.
Weiche Faktoren: Sie umfassen eine Bandbreite zwischenmenschlicher Fähigkeiten wie beispielsweise Zusammenarbeit und Kommunikation sowie persönliche Eigenschaften wie Tatkraft, Belastbarkeit und «Drive». Darüber hinaus deckt der Begriff den Umgang mit Menschen und Veränderungen ab und schliesst Führungsqualitäten sowie Konfliktfähigkeit ein. Gemessen werden die weichen Faktoren durch selbstbeschreibende Instrumente, wie zum Beispiel Insights oder DISC oder auch Online Tests im Bereich Kommunikation, Konflikt und Führung.
Motivatoren: Auch als «Motivationstreiber» bezeichnet, sind sie ein wichtiges Element, um das Leistungsverhalten von Menschen im Job zu verstehen und zu fördern: Was, warum und wie stark treibt mich etwas an? Bei einem optimalen Match stimmen die persönlichen Motivationstreiber mit den Unternehmenszielen und der Kultur überein. Motivatoren sind schwierig zu messen und praktisch nur durch selbstbeschreibende Fragebögen abfragbar. Die Motivatoren stellen jedoch einen sehr robusten und guten Datenpunkt dar, um auch über einen kulturellen Fit zum Vorgesetzten (der ja mit der Motivation des zukünftigen Mitarbeiters auskommen muss), dem Team und der Unternehmenskultur im Generellen sicherzustellen.
Wird im Recruiting mit intelligenten Assistenzsystemen gearbeitet, beschleunigt sich der Rekrutierungsprozess.
Wertvoll sind diese Informationen in Anbetracht des Wandels, der sich in vielen Unternehmen vollzieht (siehe dazu auch die aktuelle Trendstudie «Digitalisierung: Deutschland endlich auf dem Sprung» von Tata Consultancy Services (TCS) und Bitkom Research). Der allgemein steigende Wettbewerbs- und Innovationsdruck erfordert zunehmend agile Arbeitsweisen. Teamarbeit, Selbstorganisation, Eigeninitiative und Freiwilligkeit sind dabei die Schlagwörter. Da ist eine entsprechende Persönlichkeit unbedingte Voraussetzung, um jemanden langfristig im Unternehmen zu halten.
«Traumkandidaten» rekrutieren
Der 100-prozentige «Perfect Fit» mag eine Illusion sein. Unternehmen können heute allerdings besser als jemals zuvor die relevanten Faktoren messen und in den Rekrutierungsentscheid einbeziehen. Wird im Recruiting mit intelligenten Assistenzsystemen gearbeitet, beschleunigt sich der Rekrutierungsprozess. Die Geschwindigkeit steigt bis zu 50%, was vor allem von jüngeren Generationen geschätzt wird. Wie beim Autofahren erleichtern die Assistenzsysteme die Arbeit, wie mit dem Navigationsgerät oder dem Distanzmesser und die Rückwärtskamera. Warum also nicht bei der Rekrutierung vermehrt auf das Potential der Mitarbeitenden achten und den Blick nach vorne werfen? Viele Fehlplatzierungen können Sie so vermeiden, wenn Sie die Motivatoren des zukünftigen Mitarbeiters, seine Stärken und Schwächen, sein Konfliktstil oder sogar Führungsstil im Voraus kennen. Mit diesem «Blick nach vorn» haben Sie gute Chancen, Personen zu finden, die ihren Traumkandidaten sehr nahekommen. Haben Sie Ihren Recruiting-Blick bereits nach vorn gerichtet?