Die Burnout-Gefahr von Mitarbeitenden ist sehr eng mit dem Arbeitsumfeld und dem Arbeitgeber verbunden. Warum das so ist und wie es Unternehmen gelingt, das Risiko eines Burnouts ihrer Mitarbeitenden zu minimieren bzw. wie sie die Mitarbeitenden bei einem Burnout so gut wie möglich unterstützen können, berichtet uns der Körpertherapeut Konrad Wiesendanger im Interview.
Herr Wiesendanger, was ist für Sie genau ein Burnout?
Konrad Wiesendanger: Unter Burnout verstehe ich eine Risikosituation für gesundheitliche Probleme, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Immunschwächen oder psychische Probleme wie Depressionen. Zu einem Burnout gehört auch der Verlust der Handlungsfähigkeit – es ist also ein Zustand, in dem man keine Lösungen mehr entwickeln kann.
Viele reagieren erst, wenn es zu spät ist. Was sind erste Anzeichen für ein Burnout?
Beispielsweise wenn Mitarbeitende ihre Arbeit über alles stellen und dabei das soziale Umfeld und die Familie vernachlässigen, Mahlzeiten auslassen oder den Schlaf über längere Zeit auf ein Minimum reduzieren. Auch eine allgemeine negative Grundeinstellung kann ein Anzeichen sein.
Was können Unternehmen für die Burnout-Prävention tun?
Es gibt Faktoren in Unternehmen, die ein Burnout begünstigen. Dazu gehören etwa fehlende Wertschätzung, Führungsschwächen, schlecht eingeübte Arbeitsprozesse oder widersprüchliche Arbeitsanforderungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden zu zeigen sowie Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden genau zu definieren. Zur Minimierung des Burnout-Risikos ist auch eine reflektierte Fehlerkultur im Unternehmen empfehlenswert, bei der Mitarbeitende bei Fehlern Unterstützung erhalten und gemeinsam im Team nach Lösungen gesucht wird. Ausserdem sollten Vorgesetze eine Vorbildfunktion haben. Wenn diese ohne Pausen arbeiten und ständig Überstunden machen und das auch von ihren Mitarbeitenden erwarten, dann kann das einen zusätzlichen Druck auf die Mitarbeitenden ausüben.
Burnout ist eine schmerzhafte Tragödie für die Betroffenen. Die Kolleginnen und Kollegen im Team erfahren in ihrer Arbeit zusätzliche Belastung und leiden mit und ausserdem kostet der Arbeitsausfall das Unternehmen viel Geld. Deshalb geht nichts über eine sorgfältige Burnout-Prävention.
Wie kann ein Manager/Teammitglied merken, wenn jemand burnout-gefährdet ist?
Das zeigt sich zum Beispiel in einer radikalen Verhaltungsänderung eines/r Mitarbeitenden innerhalb kurzer Zeit. Wenn eine besonders gesprächige Person auf einmal sehr still ist, jemand plötzlich besonders zynisch wird oder plötzlich häufig nicht mehr in der Arbeit erscheint. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden Privatsache ist und das Team darüber eigentlich nichts weiss. Daher braucht es Vertrauen und Feingefühl, um mit der betroffenen Person ins Gespräch zu kommen.
Wie spricht man dies am besten an?
Ich rate, das anzusprechen, was man wahrnimmt bzw. beobachtet und keine Diagnose zu erstellen. Der/die Vorgesetzte kann zum Beispiel die Beobachtung schildern, dass es im Team immer mehr Konflikte gibt oder die Teammitglieder nicht mehr miteinander sprechen, ohne gleich Schlüsse zu ziehen oder zu sagen, jemand sei überlastet oder burnout-gefährdet. Ich empfehle auch, möglichst eine Fachperson zur Unterstützung für ein Gespräch heranzuziehen.
Was können Unternehmen tun, wenn sie merken, dass jemand Burnout-gefährdet ist?
Es ist die Aufgabe der Vorgesetzten, gefährdete Personen anzusprechen. Vielleicht kann der betroffenen Person für eine gewisse Zeit eine Teilzeitstelle anstelle einer Vollzeitbeschäftigung angeboten werden oder es gibt einen Job, der weniger belastend ist. Bei grossen Firmen gibt es vielfach eine Vertrauensperson bzw. Sozialabteilung, bei der sich die Mitarbeitenden Unterstützung holen können. Kleinen Firmen fehlen dazu häufig die Mittel. Es ist auf jeden Fall wichtig, für ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeitenden und Führungspersonen zu sorgen.
Es ist es wichtig, Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden zu zeigen sowie Arbeitsprozesse der Mitarbeitenden genau zu definieren. Zur Minimierung des Burnout-Risikos ist auch eine reflektierte Fehlerkultur im Unternehmen empfehlenswert.
Wie kann es gelingen, dass eine Person mit Burnout wieder in den gewöhnlichen Berufsalltag zurückkehrt?
Bei weniger schwerwiegenden Fällen kann eine Pause von der Arbeit und ein klärendes Gespräch mit den Vorgesetzten ausreichen. Bei schweren Fällen sind oft eine lange Abwesenheit mit Klinikaufenthalt unabdingbar. Hier stellt sich die Frage, wie die Vertrauenssituation zum Arbeitgeber ist und ob das Vertrauen wiederhergestellt werden kann, um in diesem Unternehmen weiterzuarbeiten. Oft können und wollen betroffene Personen nicht mehr in der Firma weiterarbeiten. Doch eine neue Stelle zu suchen, ist je nach Lebenssituation nicht einfach – gerade ältere Menschen stehen dann vor einer grossen Herausforderung. Jedes Burnout hat weitreichende Konsequenzen: Es ist eine schmerzhafte Tragödie für die Betroffenen. Die Kolleginnen und Kollegen im Team erfahren in ihrer Arbeit zusätzliche Belastung und leiden mit und ausserdem kostet der Arbeitsausfall das Unternehmen viel Geld. Deshalb geht nichts über eine sorgfältige Burnout-Prävention.
Konrad Wiesendanger ist als Coach, Supervisor und Körpertherapeut in Luzern tätig (www.ergosens.ch). Er ist Autor von «ESM-Embodied Stress Management» (tredition Hamburg, 2017). Zusammen mit lifetime health hat er ein betriebliches Gesundheitsmanagement für KMU entwickelt, um in Unternehmen gesundheitliche Risiken wie Burnoutgefährdung frühzeitig zu erkennen.
Für weitere Informationen gibt es von der SVA Zürich einen Leitfaden, wie psychische/gesundheitliche Probleme am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt werden und wie Arbeitgeber handeln können.